Wallander 08 - Die Brandmauer
freundlich.«
»Hatte er viel Gepäck?«
»Einen kleinen Koffer mit Rädern. Sonst nichts.«
»Und wohin wollte er?«
»Zur Fähre.«
»Wollte er nach Polen?«
»Gibt es denn Fähren woandershin?«
»Was für einen Eindruck hatten Sie von ihm?«
»Gar keinen. Aber er war freundlich, wie gesagt.«
»Er machte keinen beunruhigten Eindruck?«
»Nein.«
»Hat er etwas gesagt?«
»Er saß hinten und schwieg und schaute aus dem Fenster. Ich erinnere mich daran, daß er mir Trinkgeld gegeben hat.«
An mehr konnte Östensson sich nicht erinnern. Ann-Britt dankte ihm für seine Bemühung. Dann entschloß sie sich, einen Hausdurchsuchungsbefehl für das Haus in der Snapphanegata zu beantragen. Sie hatte mit dem Staatsanwalt gesprochen, der ihr zugehört und anschließend die notwendige Genehmigung erteilt hatte.
Sie war auf dem Weg dorthin, als jemand von der Kindertagesstätte angerufen hatte, in der ihre Jüngste war. Sie war hingefahren. Das Kind hatte gespuckt, und die nächsten Stunden hatte sie zu Hause verbracht. Aber plötzlich war die Übelkeit wie verflogen. Ihre Nachbarin, ein wahres Geschenk des Himmels, die einsprang, wann immer sie konnte, hatte Zeit gehabt. Und jetzt, wo sie ins Präsidium zurückkam, war auch Wallander wieder da.
|329| »Haben wir Schlüssel?« fragte er.
»Ich dachte, wir nehmen einen Schlosser mit.«
»Den Teufel werden wir tun. Waren es Sicherheitstüren?«
»Gewöhnliche Patentschlösser.«
»Die schaffe ich noch selbst.«
»Du mußt dir darüber im klaren sein, daß ein Mann in Morgenrock und grünen Stiefeln von seinem Küchenfenster aus alles beobachtet, was wir tun.«
»Du mußt hinübergehen und mit ihm reden. Spiel ihm eine kleine Verschwörungskomödie vor. Daß wir dank seiner Aufmerksamkeit die Hilfe bekommen haben, die wir brauchten. Aber daß er uns gleichzeitig weiterhin helfen muß, indem er aufpaßt, daß wir den Rücken frei haben. Und natürlich kein einziges Wort zu irgend jemandem, der fragen sollte, was wir da treiben. Wenn es einen neugierigen Nachbarn gibt, gibt es vielleicht noch mehr.«
Ann-Britt bekam einen Lachanfall. »Das kauft er mir ab. Genau so einer war das.«
Sie fuhren in ihrem Wagen zur Snapphanegata. Wie üblich fand er, daß sie schlecht und ruckhaft fuhr. Er wollte ihr von dem Fotoalbum erzählen, über dem er den Vormittag verbracht hatte. Aber er konnte sich auf nichts anderes konzentrieren als auf die anderen Autos, mit denen sie hoffentlich nicht zusammenstoßen würden.
Während Wallander sich die Haustür vornahm, verschwand Ann-Britt, um mit dem Nachbarn zu sprechen. Auch auf Wallander machte das Haus einen verlassenen Eindruck.
Als er gerade das Schloß aufbekommen hatte, kam sie zurück. »Der Mann im Morgenrock ist ab sofort Mitglied der Ermittlungsgruppe«, sagte sie.
»Du hast hoffentlich nichts davon gesagt, daß wir den Jungen im Zusammenhang mit dem Mord an Sonja Hökberg suchen?«
»Was glaubst du eigentlich von mir?«
»Nur das Beste.«
Wallander öffnete. Sie traten ein und zogen die Tür hinter sich zu.
»Ist hier jemand?« rief Wallander.
|330| Die Worte hallten in der Stille des Hauses wider. Es kam keine Antwort.
Sie gingen langsam, aber zielbewußt durchs Haus. Stellten fest, daß alles geputzt und aufgeräumt war. Auch wenn der Junge in aller Eile abgereist war, sahen sie keine Anzeichen eines hastigen Aufbruchs. Die Ordnung war vorbildlich. Die Möbel und Bilder hatten etwas Unpersönliches. Als sei alles auf einmal gekauft und nur hereingestellt worden, um eine Anzahl leerer Räume zu füllen. Auf einem Regal standen ein paar Fotos von zwei jungen Menschen und einem Neugeborenen. Sonst keine persönlichen Erinnerungsstücke. Auf einem Tisch stand ein Telefon mit blinkendem Anrufbeantworter. Wallander drückte auf den Wiedergabeknopf. Eine Computerfirma in Lund teilte mit, das bestellte Modem sei eingetroffen. Danach hatte sich jemand verwählt. Gefolgt von jemandem, der seinen Namen nicht nannte. Dann kam das, worauf Wallander im Innersten gehofft hatte.
Sonja Hökbergs Stimme.
Wallander erkannte sie sofort. Ann-Britt brauchte ein paar Sekunden, um zu merken, wer da sprach.
»Ich rufe wieder an. Es ist wichtig. Ich rufe wieder an.«
Dann hatte sie aufgelegt.
Wallander fand die Taste, mit der alle Mitteilungen noch einmal von vorn abgespielt werden konnten. Sie lauschten noch einmal.
»Dann wissen wir das«, meinte Wallander. »Sonja hatte tatsächlich Kontakt zu dem Jungen, der hier wohnt.
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