Wallander 08 - Die Brandmauer
Wallander. »Wie konnte Falk an die Zeichnung kommen? Und warum?«
|349| »Das ist alles so unklar«, klagte Martinsson. »Natürlich kann man nicht von der Möglichkeit absehen, daß es Sabotage war. Der Schritt vom Freilassen von Nerzen zur Verdunkelung ganzer Landesteile ist vielleicht gar nicht so groß. Zumindest nicht, wenn man fanatisch genug ist.«
Wallander spürte, wie die Unruhe ihn wieder packte. »Vor einem habe ich Angst«, sagte er. »Und das ist diese Zahl Zwanzig. Was ist, wenn sie sich doch auf den 20. Oktober bezieht. Was passiert dann?«
»Ich habe die gleiche Angst«, erwiderte Martinsson. »Und ich kenne die Antwort ebensowenig wie du.«
»Es fragt sich, ob wir uns nicht einmal mit Sydkraft zusammensetzen sollten. Und wenn es nur darum geht, daß sie ihre eigene Sicherheit überprüfen.«
Martinsson nickte zögernd. »Man kann es auch anders sehen. Zuerst waren es Nerze. Dann ein Transformator. Was kommt als nächstes?«
Keiner von beiden hatte eine Antwort.
Martinsson verließ den Raum. Wallander widmete die folgenden Stunden der Sichtung der Papierstapel, die sich auf seinem Tisch angesammelt hatten. Die ganze Zeit war er auf der Suche nach etwas, was er vorher übersehen hatte. Doch er fand nichts anderes als die Bestätigung, daß sie immer noch im Dunkeln tappten.
Am späten Nachmittag traf sich die Ermittlungsgruppe. Martinsson hatte mit Viktorsson gesprochen. Nach Jonas Landahl wurde inzwischen im In- und Ausland gefahndet. Die polnische Polizei hatte im übrigen sehr schnell per Telex reagiert. Landahl war tatsächlich an dem Tag, an dem der Nachbar in der Snapphanegata ihn zum letztenmal gesehen hatte, ins Land eingereist. Aber eine Ausreise hatte die polnische Polizei nicht feststellen können. Wallander war sich nicht einmal sicher, ob Landahl sich wirklich in Polen befand. Etwas sagte ihm, daß es nicht so war. Ann-Britt hatte vor der Sitzung noch mit Eva Persson über den Kaugummi gesprochen. Diese hatte bekräftigt, daß Sonja zuweilen Kaugummi mit Zitronengeschmack gekaut habe. Aber wann zuletzt, konnte sie nicht sagen. Nyberg hatte das Auto durchsucht |350| und eine Unzahl von Plastikbeuteln mit Fasern und Haaren zur Analyse geschickt. Erst wenn die Ergebnisse vorlagen, konnten sie absolut sicher sein, daß Sonja Hökberg in Landahls Wagen gesessen hatte. Dieser Punkt führte zu einer hitzigen Diskussion zwischen Martinsson und Ann-Britt. Wenn Sonja Hökberg und Jonas Landahl wirklich befreundet gewesen waren, war es doch ganz natürlich, daß sie in seinem Wagen fuhr. Doch damit war noch lange nicht gesagt, daß sie es auch am letzten Tag ihres Lebens getan hatte.
Wallander verhielt sich abwartend, während die beiden stritten. Keiner hatte recht. Beide waren müde. Ihre Auseinandersetzung verebbte schließlich von allein. Hansson hatte tatsächlich eine vollkommen sinnlose Fahrt nach Växjö unternommen. Außerdem hatte er sich verfahren und es zu spät gemerkt. Eva Perssons Vater wohnte in einer unglaublichen Bruchbude bei Vislanda. Er war schwer betrunken, als Hansson sich schließlich zur richtigen Adresse durchgefragt hatte, und konnte keinerlei brauchbare Auskünfte geben. Außerdem brach er jedesmal in Tränen aus, wenn er den Namen seiner Tochter und die Zukunft, die sie erwartete, erwähnte. Hansson war so schnell wie möglich wieder abgefahren.
Ein Mercedes-Bus wie der, nach dem sie suchten, war auch nicht aufgetaucht. Wallander hatte außerdem via American Express ein Fax aus Hongkong empfangen, auf dem ein Polizeichef namens Wang ihm mitteilte, daß es unter der angegebenen Adresse keinen Fu Cheng gebe. Während sie zusammensaßen, kämpfte Robert Modin weiterhin mit Falks Rechner. Nach einer langen und Wallanders Meinung nach völlig unnötigen Diskussion beschlossen sie, noch ein, zwei Tage abzuwarten, bevor sie Kontakt mit den Informatikern des Reichskriminalamts aufnähmen.
Um sechs Uhr sah Wallander nur noch müde und fahle Gesichter um sich her. Er wußte, daß sie heute nicht mehr weiterkämen. Sie verabredeten sich für acht Uhr am folgenden Tag. Wallander arbeitete noch weiter. Aber um halb neun fuhr auch er nach Hause. Er aß die Reste der Spaghetti vom Vortag und legte sich dann mit einem Buch aufs Bett. Es handelte von den Napoleonischen Kriegen und war todlangweilig.
|351| Das Telefon weckte ihn. Zuerst wußte er nicht, wo er sich befand oder wieviel Uhr es war. Er nahm ab. Das Gespräch kam aus dem Polizeipräsidium.
»Wir haben
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