Wallander 08 - Die Brandmauer
einen Alarmruf von einer der Fähren bekommen, die nach Ystad unterwegs sind«, sagte der Wachhabende.
»Was ist passiert?«
»Offenbar hatten sie eine Störung an einer der Propellerwellen. Als sie den Schaden lokalisieren wollten, fanden sie die Ursache.«
»Und was war es?«
»Eine Leiche im Maschinenraum.«
Wallander schnappte nach Luft. »Wo befindet sich die Fähre?«
»Nur wenige Seemeilen vom Hafen entfernt.«
»Ich komme.«
»Soll ich sonst noch jemand anrufen?«
Wallander überlegte. »Martinsson und Hansson. Und Nyberg. Wir treffen uns unten am Fährterminal.«
»Sonst noch jemand?«
»Ich möchte, daß du Lisa Holgersson informierst.«
»Die ist auf einer Konferenz in Kopenhagen.«
»Darauf können wir keine Rücksicht nehmen. Ruf sie an.«
»Und was soll ich ihr sagen?«
»Daß sich ein mutmaßlicher Mörder auf dem Heimweg von Polen nach Schweden befindet. Und daß er leider tot ist.«
Das Gespräch war zu Ende. Wallander wußte, daß er jetzt nicht mehr darüber nachzugrübeln brauchte, wo Jonas Landahl steckte.
Zwanzig Minuten später hatten sie sich am Terminal versammelt und warteten darauf, daß die große Fähre anlegte.
|352| 27
Als Wallander die Leiter in den Maschinenraum hinunterkletterte, überkam ihn das Gefühl, daß ihn ein Inferno erwartete. Auch wenn das Schiff jetzt still am Kai lag und alles, was man hörte, ein Pfeifen war, lag die Hölle dort unten in der Tiefe. Sie waren von einem aufgeregten Ersten Steuermann und zwei leichenblassen Maschinisten empfangen worden. Wallander entnahm ihrer Aussage, daß der Körper, der dort unten im öligen Bilgenwasser lag, bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt war. Jemand, vielleicht Martinsson, hatte ihm gesagt, daß ein Gerichtsmediziner auf dem Weg sei. Ein Feuerwehrauto mit Rettungsleuten war bereits eingetroffen.
Aber es war dennoch Wallander, der als erster hinunter mußte. Martinsson wollte am liebsten verschont bleiben, und Hansson war noch nicht erschienen. Wallander bat Martinsson, sich ein Bild darüber zu verschaffen, was eigentlich passiert war. Sobald Hansson eintraf, sollte er ihm helfen.
Dann machte Wallander sich auf den Weg, dicht hinter ihm kam Nyberg. Sie stiegen die Leiter hinunter. Der Maschinist, der die Leiche entdeckt hatte, erhielt Order, sie zu begleiten. Auf dem untersten Absatz führte er sie nach achtern. Wallander war erstaunt darüber, wie groß der Maschinenraum war. Der Maschinist blieb neben der letzten Leiter stehen und zeigte in die Tiefe. Wallander stieg hinunter. Als sie sich auf der Leiter befanden, trat Nyberg ihm auf die Hand. Wallander stieß vor Schmerz einen Fluch aus und hätte beinah losgelassen. Dann kamen sie unten an, und dort, unter der einen von zwei großen ölglänzenden Propellerwellen, lag der Körper.
Der Maschinist hatte nicht übertrieben. Wallander hatte das Gefühl, daß das, was er da vor sich sah, kein Mensch mehr war. Es sah aus, als habe jemand einen frischgeschlachteten Tierkörper |353| auf den Grund des Schiffes geworfen. Nyberg stöhnte hinter ihm auf. Wallander glaubte zu hören, daß er etwas von unmittelbar in Pension gehen zischte. Wallander wunderte sich darüber, daß ihm selbst nicht einmal schlecht wurde. Er hatte in seinem Polizistenleben vieles ansehen müssen. Die menschlichen Überreste nach gräßlichen Verkehrsunfällen. Menschen, die monate- oder jahrelang tot in ihren Wohnungen gelegen hatten. Aber dies hier gehörte zum Schlimmsten, was er je erlebt hatte. An der Wand des Zimmers mit dem schrägen Bücherregal hatte ein Bild von Jonas Landahl gehangen. Ein junger Mann von alltäglichem Aussehen. Jetzt versuchte Wallander zu entscheiden, ob es so war, wie er von dem Augenblick an, als das Telefon geklingelt hatte, vermutete. Waren es die Überreste von Landahl, die dort im Öl lagen? Das Gesicht war fast ganz ausgelöscht. Nur ein blutiger Klumpen ohne erkennbare Gesichtszüge war davon übriggeblieben.
Der Junge auf dem Foto hatte blondes Haar gehabt. Und der Kopf, der dort unten lag, fast abgetrennt vom Körper, hatte noch ein paar Haarsträhnen, die nicht abgerissen und auch nicht vom Blut getränkt waren. Sie waren blond. Wallander war sich sicher, ohne es beweisen zu können. Er rückte zur Seite, damit Nyberg etwas sehen konnte. In diesem Augenblick kam auch die Ärztin, Susann Bexell, in Begleitung von zwei Feuerwehrmännern, die Leiter herab.
»Wie zum Teufel ist er hier gelandet?« sagte Nyberg.
Obwohl die Maschinen im Leerlauf
Weitere Kostenlose Bücher