Wallander 08 - Die Brandmauer
einem Fest der Polizeipräsidenten«, sagte Wallander. »Aber jetzt ist sie auf jeden Fall informiert darüber, womit wir unseren Abend verbringen.«
Kapitän Sund betrat die Cafeteria. »In einer Kabine ist ein Gepäckstück liegengeblieben.«
Wallander und Martinsson standen gleichzeitig auf. Sie folgten dem Kapitän durch verschlungene Gänge zu einer Kabine, in der eine Frau in der Uniform der Reederei wartete.
Sie war Polin und sprach nicht gut Schwedisch. »Laut Passagierliste wurde diese Kabine von einer Person mit Namen Jonasson gebucht.«
Wallander und Martinsson sahen einander an.
»Gibt es jemanden, der das Aussehen dieser Person beschreiben könnte?«
Es zeigte sich, daß der Kapitän die polnische Sprache fast so gut beherrschte wie seinen Dalarna-Dialekt.
|361| »Hatte er die Kabine allein gebucht?«
»Ja.«
Wallander trat ein. Die Kabine war eng und ohne Fenster. Wallander schauderte es bei dem Gedanken daran, eine stürmische Nacht in einer solchen Kabine verbringen zu müssen. Auf der an der Wand befestigten Koje stand ein Koffer mit Rollen. Wallander ließ sich von Martinsson ein Paar Plastikhandschuhe geben. Dann öffnete er den Koffer. Er war leer. Zehn Minuten suchten sie vergebens in der Kabine.
»Nyberg muß einen Blick darauf werfen«, sagte Wallander, als sie die Hoffnung aufgegeben hatten, etwas zu finden. »Und der Taxifahrer, der Landahl zur Fähre gebracht hat. Vielleicht erkennt er den Koffer wieder.«
Wallander trat auf den Gang hinaus. Martinsson besprach mit dem Kapitän, daß die Kabine nicht gereinigt werden durfte. Wallander betrachtete die Türen der angrenzenden Kabinen. Vor beiden Türen lagen Bündel mit Handtüchern und Laken. Die Türen trugen die Nummern 309 und 311.
»Versuche herauszufinden, wer diese Kabinen gebucht hatte«, sagte er. »Vielleicht haben sie etwas gehört. Oder jemand kommen oder gehen sehen.«
Martinsson machte sich eine Notiz auf seinem Block und begann dann, mit der Polin zu reden. Wallander hatte Martinsson häufig wegen seines guten Englisch beneidet. Er selbst sprach es sehr schlecht, fand er. Auf gemeinsamen Reisen hatte Linda ihn oft wegen seiner miserablen Aussprache gehänselt. Kapitän Sund folgte Wallander die Treppen hinauf.
Es war kurz vor Mitternacht.
»Darf ich Ihnen nach diesem Schock vielleicht einen Drink anbieten?« fragte Sund.
»Leider nicht«, antwortete Wallander.
Es kratzte und knarrte in Sunds Funktelefon. Er lauschte und entschuldigte sich dann. Wallander war froh, allein gelassen zu werden. Sein Gewissen machte ihm zu schaffen. Könnte Landahl noch am Leben sein, wenn er Schneller geschaltet hätte? Er wußte, daß es darauf keine Antwort gab. Es blieb nur der Selbstvorwurf, dem er wehrlos ausgesetzt war.
|362| Zwanzig Minuten später kam Martinsson.
»Kabine 309 war von einem Norweger mit Namen Larsen gebucht worden. Er sitzt zur Zeit vermutlich in einem Auto und ist auf dem Weg nach Norwegen. Aber ich habe seine Telefonnummer. In einer Stadt, die Moss heißt. Kabine 311 hatte dagegen ein Paar hier aus Ystad. Herr und Frau Tomander.«
»Sprich morgen mit ihnen«, sagte Wallander. »Vielleicht bringt es etwas.«
»Ich habe Nyberg auf der Treppe getroffen. Er war bis zum Bauch voll Öl. Aber er wollte sich die Kabine ansehen, wenn er den Overall gewechselt hätte.«
»Es fragt sich, ob wir wirklich weiterkommen.«
Sie gingen gemeinsam durch das verlassene Terminalgebäude. Auf einigen Bänken lagen jüngere Männer und schliefen. Die Fahrkartenschalter waren geschlossen. Sie trennten sich vor Wallanders Wagen.
»Wir müssen alles noch einmal von vorn durchgehen«, sagte Wallander. »Bis um acht dann.«
Martinsson betrachtete sein Gesicht. »Du machst dir Sorgen?«
»Allerdings. Ich mache mir immer Sorgen, wenn ich nicht begreife, was vor sich geht.«
»Wie steht es mit der disziplinarischen Untersuchung?«
»Ich habe nichts mehr gehört. Es rufen auch keine Journalisten mehr an. Aber das liegt vielleicht nur daran, daß ich meistens den Stecker herausgezogen habe.«
»Blöd, wenn so was passiert.«
Wallander ahnte eine Doppeldeutigkeit in Martinssons Worten. Sofort war er auf der Hut. Und wurde wütend. »Was willst du damit sagen?«
»Haben wir davor nicht alle Angst? Daß wir die Beherrschung verlieren und anfangen, Leute zu schlagen?«
»Ich habe dem Mädchen eine Ohrfeige gegeben. Um die Mutter zu schützen.«
»Ja«, sagte Martinsson. »Aber trotzdem.«
Er glaubt mir nicht, dachte Wallander,
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