Wallander 08 - Die Brandmauer
angelangt war und sein Auto abschloß, hätte er sich umsehen sollen. Vielleicht hätte er den Schatten bemerkt, der sich hastig tiefer in die Dunkelheit am oberen Ende der Straße zurückzog. Vielleicht hätte er begriffen, daß es nicht nur jemanden gab, der sie beobachtete, sondern daß dieser Jemand auch die ganze Zeit über wußte, wo sie sich befanden, was sie taten, beinah sogar, was sie dachten. Die Wagen, die rund um die Uhr die Apelbergsgata und den Runnerströms Torg bewachten, hatten nicht verhindern können, daß sich jemand dort in den Schatten aufhielt.
Aber Wallander schaute sich nicht um. Er schloß nur sein Auto ab und eilte über die Straße zu dem Haus, in dem Martinsson zufolge seltsame Dinge auf einem Monitor zu sehen waren. Als Wallander hereinkam, starrten Robert Modin und Martinsson gebannt auf den Bildschirm, murmelten und zeigten. Zu seiner Verwunderung registrierte Wallander, daß Martinsson sich einen faltbaren Jagdstuhl mitgebracht hatte. Und es standen inzwischen zwei weitere Rechner im Zimmer. Wallander bekam das Gefühl, einen Raum betreten zu haben, in dem eine äußerst komplizierte elektronische Operation ablief. Oder eine Art religiösen Rituals. Er dachte an den Altar, auf dem Falk sich selbst verehrt hatte. Wallander grüßte, ohne eine Antwort zu bekommen.
Der Bildschirm sah jetzt anders aus. Die Unmengen von Ziffern, die vorher dort umhergewirbelt waren, um dann in einen unbekannten Weltraum zu entschwinden, waren nicht mehr da. Zwar sahen sie noch immer auf Ziffern, aber jetzt standen sie still. Robert Modin hatte seine Kopfhörer abgenommen. Seine Hände wanderten zwischen den verschiedenen Tastaturen hin und her. Die Finger arbeiteten unglaublich schnell, als sei er ein Virtuose, der auf drei InStrumenten gleichzeitig spielte. Wallander wartete. |367| Martinsson hatte einen Schreibblock in der Hand. Dann und wann bat Modin ihn darum, etwas aufzuschreiben. Und Martinsson schrieb. Modin beherrschte die Szene. Daran bestand kein Zweifel. Erst nach ungefähr zehn Minuten schienen sie zu bemerken, daß Wallander hereingekommen war. Das Klappern der Tastaturen hörte auf.
»Was ist passiert?« fragte Wallander. »Und warum habt ihr hier mehrere Rechner?«
»Wenn man nicht über den Berg gehen kann, muß man um ihn herumgehen«, sagte Robert Modin. Er war verschwitzt. Aber er sah glücklich aus. Ein junger Mann, dem es gelungen war, eine Tür zu öffnen, die verschlossen gewesen war.
»Das erklärt Robert am besten«, sagte Martinsson.
»Das Paßwort, um hineinzukommen, konnte ich nicht knacken«, sagte der Junge. »Aber ich habe meine eigenen Rechner mitgenommen und an Falks angeschlossen. Und dann konnte ich hintenherum hinein.«
Schon jetzt wurde das Gespräch für Wallander zu abstrakt. Daß Rechner Fenster hatten, wußte er. Aber nicht, daß sie auch Türen hatten.
»Ich habe davorgestanden und angeklopft«, sagte Modin. »Aber gleichzeitig habe ich mir hinten einen Zugang gegraben.«
»Und wie geht das?«
»Das ist ein bißchen schwer zu erklären. Außerdem ist es eine Art Berufsgeheimnis.«
»Gut, dann lassen wir das. Und was habt ihr gefunden?«
Jetzt übernahm Martinsson. »Falk hatte natürlich einen Internetzugang. In einer Datei, die ulkigerweise ›Jakobs Moor‹ heißt, gibt es eine Reihe von Telefonnummern, die in einer speziellen Weise angeordnet sind. Zumindest haben wir das geglaubt. Aber jetzt hat sich gezeigt, daß es keine Telefonnummern sind, sondern Codes. Sie bestehen aus zwei Gruppen. Ein Wort und eine Ziffernkombination. Wir versuchen gerade, herauszubekommen, was sie bedeuten.«
»Eigentlich sind es sowohl Telefonnummern als auch Codes«, warf Modin ein. »Außerdem sind hier massenweise Zifferngruppen chiffrierter Namen von verschiedenen Institutionen gelagert. |368| Sie scheinen sich überall zu befinden. In den USA, in Asien, in Europa. Hier ist auch etwas in Brasilien. Und Nigeria.«
»Was für Institutionen denn?«
»Das versuchen wir gerade herauszufinden«, sagte Martinsson. »Eine haben wir gefunden, die Robert schon kannte. Und als wir die entdeckten, habe ich dich angerufen.«
»Welche denn?«
»Das Pentagon«, antwortete Modin.
Wallander wußte nicht zu sagen, ob in Modins Stimme Triumph mitschwang oder ob er Angst hatte.
»Und was bedeutet das alles?«
»Das wissen wir noch nicht«, antwortete Martinsson. »Aber wir können davon ausgehen, daß in diesem Rechner sehr wichtige und vermutlich verbotene Informationen
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