Wallander 08 - Die Brandmauer
oft er genau diese Situation schon erlebt hatte. Früher Morgen, umgeben von Kollegen, ein Verbrechen soll aufgeklärt werden. Sie hatten im Lauf der Jahre ein neues Polizeipräsidium bekommen, neue Möbel, andere Gardinen. Die Telefone hatten ihr Aussehen verändert, ebenso der Overhead-Projektor. Und alles war natürlich mit Computern ausgestattet. Dennoch war es, als hätten all die Personen immer hier gesessen. Und er selbst am allerlängsten.
»Johan Lundberg ist tot«, begann er. »Falls einer von euch es noch nicht wußte.«
Er zeigte auf Ystads Allehanda, die auf dem Tisch lag. Der Taxifahrermord war groß aufgemacht.
»Das bedeutet also, daß diese beiden Mädchen, Hökberg und Persson, einen Mord begangen haben. Raubmord. Anders kann man es nicht nennen. Vor allem die Hökberg ist in ihrer Darstellung sehr deutlich gewesen. Sie hatten es geplant, sie hatten sich mit Waffen ausgerüstet. Sie wollten den Taxifahrer überfallen, den der Zufall ihnen über den Weg schickte. Eva Persson ist minderjährig, also nicht nur eine Frage für uns, sondern auch für andere. Den Hammer haben wir, außerdem Lundbergs leere Brieftasche und sein Handy. Was noch fehlt, ist das Messer. Keins der Mädchen bestreitet die Tat. Keine von beiden beschuldigt die andere. Ich nehme an, wir können dem Staatsanwalt das Material spätestens morgen übergeben. Die gerichtsmedizinische Untersuchung ist natürlich noch nicht abgeschlossen. Aber für unseren Teil ist es eine ekelhafte Geschichte, die im großen und ganzen schon jetzt abgeschlossen werden kann.«
Wallander verstummte. Keiner sagte etwas.
»Warum haben sie das gemacht?« fragte Lisa Holgersson schließlich. »Das Ganze wirkt ja so unglaublich unnötig.«
Wallander nickte. Er hatte gehofft, daß genau diese Frage käme, damit er sie nicht selbst formulieren mußte.
»Sonja Hökberg ist sehr bestimmt«, sagte er. »Sowohl im Verhör |55| mit Martinsson als auch mit mir. ›Wir brauchten Geld.‹ Sonst nichts.«
»Und wozu?«
Die Frage kam von Hansson.
»Das wissen wir nicht. Darauf antworten sie nicht. Wenn man der Hökberg glauben soll, wußten sie es selbst nicht. Sie brauchten Geld. Nicht für einen besonderen Zweck. Einfach nur das: Geld.«
Wallander blickte in die Runde, bevor er fortfuhr. »Ich glaube nicht daran. Zumindest die Hökberg lügt. Davon bin ich überzeugt. Mit Eva Persson habe ich noch nicht gesprochen. Aber das Geld sollte für etwas Bestimmtes verwendet werden. Da bin ich mir ziemlich sicher. Ich vermute außerdem, daß Eva Persson getan hat, was Sonja Hökberg ihr sagte. Das mindert nicht ihre Schuld. Aber es gibt ein Bild des Verhältnisses der beiden.«
»Spielt das eine Rolle?« fragte Ann-Britt Höglund. »Ob sie das Geld für Kleidung oder etwas anderes verwenden wollten?«
»Eigentlich nicht. Der Staatsanwalt hat mehr als genug, um zumindest bei Hökberg auf schuldig zu plädieren. Was mit Eva Persson passiert, ist, wie gesagt, nicht nur eine Frage für uns.«
»Sie sind noch nie bei uns in Erscheinung getreten«, sagte Martinsson. »Das habe ich untersucht. Und keine hatte irgendwelche Schwierigkeiten in der Schule.«
Wallander bekam wieder das Gefühl, daß sie sich auf einer vollkommen falschen Spur befanden. Oder daß sie zumindest viel zu früh die Möglichkeit abschrieben, daß es für den Mord an Lundberg eine ganz andere Erklärung gab. Aber weil er sein Gefühl noch nicht in Worte fassen konnte, sagte er nichts. Es lag noch genug Arbeit vor ihnen. Die Wahrheit konnte Geldgier sein, aber es konnte auch etwas völlig anderes sein. Sie mußten nach verschiedenen Seiten Ausschau halten.
Das Telefon klingelte. Hansson nahm das Gespräch an. Er hörte zu und legte dann den Hörer auf.
»Es war Nyberg. Sie haben das Messer gefunden.«
Wallander nickte und klappte die Mappe zu, die er vor sich hatte.
»Wir müssen natürlich mit den Eltern reden und dafür sorgen, |56| daß gründliche Personenuntersuchungen gemacht werden. Aber das Material für den Staatsanwalt können wir sofort zusammenstellen.«
Lisa Holgersson hob die Hand. »Wir müssen eine Pressekonferenz abhalten. Die Massenmedien bedrängen uns. Immerhin ist es ungewöhnlich, daß zwei junge Mädchen eine solche Gewalttat begehen.«
Wallander sah Ann-Britt Höglund an. Sie schüttelte den Kopf. In den letzten Jahren hatte sie ihm die Pressekonferenzen abgenommen, die ihm so zuwider waren. Aber jetzt wollte sie nicht. Wallander verstand sie.
»Ich mache das«, sagte
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