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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Schreibunterlage. Es war eine englische Finanzzeitung.
    »Darf ich fragen, was Sie beruflich machen?«
    Die Antwort überraschte Wallander.
    »Ich spekuliere.«
    »In was?«
    »Aktien. Optionen. Devisen. Außerdem habe ich Wetteinnahmen. Hauptsächlich englisches Cricket. Manchmal ein wenig amerikanischen Baseball.«
    »Sie spielen also?«
    »Keine Pferde. Ich tippe nicht einmal. Aber ich nehme an, der Börsenmarkt ist auch eine Art Spiel.«
    »Und Sie machen das von zu Hause aus?«
    Hökberg stand auf und bedeutete Wallander, ihm zu folgen. Als sie in das angrenzende Zimmer traten, blieb Wallander auf der Schwelle stehen. Es lief nicht nur ein Fernseher, es liefen drei. Auf den Bildschirmen flimmerten Ziffernkolumnen. Außerdem gab es ein paar Computer und Drucker. An einer Wand hingen Uhren, die die Zeit in verschiedenen Weltteilen zeigten. Wallander hatte das Gefühl, einen Fluglotsenturm zu betreten.
    »Es heißt immer, die neue Technik habe die Welt kleiner gemacht«, sagte Hökberg. »Das kann man bezweifeln. Aber daß meine Welt größer geworden ist, steht außer jedem Zweifel. Von diesem schlecht gebauten Reihenhaus am Stadtrand von Ystad aus kann ich auf allen Märkten der Welt präsent sein. Ich kann mich in Wettbüros in London oder Rom einwählen. Ich kann auf der Börse in Hongkong eine Option erwerben und in Djakarta amerikanische Dollar verkaufen.«
    »Ist das wirklich so einfach?«
    »Nicht ganz. Es sind Genehmigungen und Kontakte und Wissen erforderlich. Aber in diesem Raum befinde ich mich mitten in der Welt. Zu jeder Zeit. Stärke und Verwundbarkeit gehen Hand in Hand.«
    Sie kehrten ins Wohnzimmer zurück.
    |62| »Ich würde mir gern Sonjas Zimmer ansehen«, sagte Wallander.
    Hökberg geleitete ihn eine Treppe hinauf. Sie gingen an einem Zimmer vorüber, das, wie Wallander annahm, dem Jungen gehörte, der Emil hieß. Hökberg zeigte auf eine Tür.
    »Ich warte unten«, sagte er. »Wenn Sie mich nicht brauchen?«
    »Nein, es geht schon.«
    Hökbergs schwere Schritte verschwanden die Treppe hinunter. Wallander schob die Tür auf. Das Zimmer hatte eine schräge Decke mit einem Fenster, das halb offenstand. Eine dünne Gardine bewegte sich sacht im Wind. Wallander stand reglos und sah sich langsam um. Er wußte aus Erfahrung, daß der erste Eindruck wichtig war. Spätere Beobachtungen konnten eine Dramatik enthüllen, die nicht sogleich sichtbar war. Aber der erste Eindruck würde dennoch immer derjenige sein, zu dem er zurückkehrte. In diesem Zimmer wohnte ein Mensch. Diesen Menschen suchte er. Das Bett war gemacht. Überall waren rosa und geblümte Kissen. Eine Schmalwand wurde von einem hohen Regal ausgefüllt, in dem unendlich viele Spielzeugbären saßen. An der Tür des Kleiderschranks war ein Spiegel, auf dem Fußboden lag ein dicker Teppich. Unter dem Fenster stand ein Schreibtisch. Die Tischplatte war leer. Wallander stand lange in der Tür und betrachtete das Zimmer. Hier wohnte Sonja Hökberg. Er ging ins Zimmer, kniete neben dem Bett nieder und schaute darunter. Es war staubig. Aber an einer Stelle hatte ein Gegenstand ein Muster in den Staub gezeichnet. Wallander durchfuhr ein Schauder. Er ahnte, daß dort der Hammer gelegen hatte. Er erhob sich wieder und setzte sich aufs Bett. Es war unerwartet hart. Dann befühlte er wieder seine Stirn. Er hatte wohl wieder Fieber. Die Tablettenschachtel hatte er in der Tasche. Sein Hals war noch immer rauh. Er stand auf und öffnete die Schreibtischschubladen. Keine war verschlossen. Es gab nicht einmal einen Schlüssel. Wonach er suchte, wußte er nicht. Ein Tagebuch vielleicht oder ein Foto. Aber nichts in den Schubladen weckte seine Aufmerksamkeit. Er setzte sich wieder aufs Bett. Dachte an seine Begegnung mit Sonja Hökberg.
    Das Gefühl hatte sich unmittelbar eingestellt. Schon als er auf der Türschwelle gestanden hatte.
    Etwas stimmte nicht. Sonja Hökberg und ihr Zimmer paßten |63| nicht zusammen. Er konnte sie hier nicht sehen, zwischen all diesen rosa Bären. Und doch war es ihr Zimmer. Er versuchte zu verstehen, was das bedeuten konnte. Wer sprach eher die Wahrheit? Sonja Hökberg, die er im Polizeipräsidium getroffen hatte? Oder das Zimmer, in dem sie gewohnt und einen blutigen Hammer unter ihrem Bett versteckt hatte?
    Rydberg hatte ihn vor vielen Jahren gelehrt zu horchen. Jeder Raum hat seinen Atem. Du mußt horchen. Ein Zimmer erzählt viele Geheimnisse über den Menschen, der in ihm wohnt.
    Zunächst war Wallander gegenüber

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