Wallander 08 - Die Brandmauer
halten, müßte er zu Fuß gehen. Er war auch nicht so krank, daß er den Wagen nicht hätte stehenlassen können.
Wenn ich einen Hund hätte, wäre es überhaupt kein Problem, dachte er. Aber ich habe keinen Hund. Vor einem Jahr habe ich mir in einer Zucht außerhalb von Sjöbo Labrador-Welpen angesehen. Aber es wurde nichts daraus. Es wurde nichts aus dem Haus, nichts aus dem Hund und nichts aus Baiba. Einfach nichts.
|52| Er parkte vor dem Polizeipräsidium und betrat um sieben Uhr sein Zimmer. In dem Moment, als er sich setzte, fiel ihm ein, was er auf den Zettel geschrieben hatte. Seife. Er schrieb es auf seinen Kollegblock.
Die nächsten Minuten verbrachte er damit, das bisher Geschehene noch einmal zu durchdenken. Ein Taxifahrer war ermordet worden. Sie hatten zwei Mädchen, die die Tat gestanden hatten, und eine der beiden Waffen, die benutzt worden waren. Eins der Mädchen war minderjährig, das zweite war angeklagt und würde im Laufe des Tages dem Haftrichter vorgeführt werden.
Das Unbehagen vom Vortag kehrte zurück. Sonja Hökbergs Gefühlskälte. Er versuchte sich einzureden, daß sie trotz allem ein wenig Mitgefühl empfunden hatte und daß es ihm nur nicht gelungen war, dies zu entdecken. Aber vergebens. Seine Erfahrung sagte ihm, daß er sich leider nicht irrte. Wallander stand auf, holte sich im Eßraum Kaffee und ging hinüber zu Martinsson, der auch Frühaufsteher war. Die Tür seines Zimmers stand offen. Wallander fragte sich, wie Martinsson arbeiten konnte, ohne je seine Tür zu schließen. Für Wallander war eine geschlossene Tür zur Außenwelt Bedingung, um sich zu konzentrieren.
Martinsson nickte.
»Ich dachte mir, daß du kommen würdest«, sagte er.
»Ich fühle mich nicht richtig wohl«.
»Erkältet?«
»Ich bekomme im Oktober immer Halsschmerzen.«
Martinsson, der ständig um seine Gesundheit besorgt war, wich auf seinem Stuhl zurück.
»Du hättest zu Hause bleiben können«, sagte er. »Diese betrübliche Geschichte mit Lundberg ist ja schon aufgeklärt.«
»Nur teilweise«, wandte Wallander ein. »Wir haben kein Motiv. Daß die Mädchen es nur ganz allgemein auf Geld abgesehen hatten, glaube ich nicht. Habt ihr übrigens das Messer gefunden?«
»Nyberg kümmert sich darum. Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen.«
»Ruf ihn an.«
Martinsson verzog das Gesicht. »Er kann morgens ganz schön grantig sein.«
|53| »Dann rufe ich selbst an.«
Wallander nahm Martinssons Telefon und versuchte es zuerst unter Nybergs Privatnummer. Nach kurzem Warten wurde sein Anruf an ein Mobiltelefon umgeleitet. Nyberg meldete sich. Aber die Verbindung war schlecht.
»Hier ist Kurt. Ich wollte nur hören, ob ihr schon das Messer gefunden habt.«
»Wie zum Teufel sollen wir bei der Dunkelheit etwas finden?« entgegnete Nyberg unwirsch.
»Ich dachte, Eva Persson hätte ausgesagt, wo sie es weggeworfen hat.«
»Trotzdem sind es noch ein paar hundert Quadratmeter, die wir absuchen müssen. Sie behauptet, es läge irgendwo auf dem Alten Friedhof.«
»Und warum holt ihr sie nicht?«
»Wenn es da liegt, dann finden wir es auch«, sagte Nyberg.
Das Gespräch war zu Ende.
»Ich habe schlecht geschlafen«, sagte Martinsson. »Meine Tochter Terese kennt Eva Persson ganz gut. Sie sind ja fast gleichaltrig. Eva Persson hat auch Eltern. Wie es denen wohl geht. Soweit ich mitbekommen habe, ist Eva ihr einziges Kind.«
Sie schwiegen und dachten nach. Dann fing Wallander an zu niesen. Er verließ sofort das Zimmer.
Um acht Uhr hatten sie sich in einem der Sitzungszimmer versammelt. Wallander setzte sich wie üblich an seinen Platz an der Schmalseite. Hansson und Ann-Britt Höglund waren schon da. Martinsson stand am Fenster und telefonierte. Weil er wenig sagte und leise sprach, wußten alle, daß er mit seiner Frau telefonierte. Wallander hatte sich schon oft gefragt, worüber sie soviel reden konnten, wo sie sich doch ein, zwei Stunden vorher noch am Frühstückstisch gesehen hatten. Vielleicht hatte Martinsson das Bedürfnis, seiner Besorgnis darüber Ausdruck zu geben, Wallander könne ihn anstecken. Die Stimmung war müde und grau. Lisa Holgersson trat in den Raum.
Martinsson beendete sein Telefongespräch. Hansson stand auf und machte die Tür zu.
|54| »Kommt Nyberg nicht?« fragte er.
»Er sucht nach dem Messer«, antwortete Wallander. »Wir gehen davon aus, daß er es findet.«
Dann sah er Lisa Holgersson an. Sie nickte. Er hatte das Wort. Wallander fragte sich im stillen, wie
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