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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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daß Eva Persson Wallander treffen konnte. Wallander war verblüfft, als er das Mädchen sah. Sie war klein und sah kaum älter aus als zwölf. Er schaute auf ihre Hände und konnte sich nicht vorstellen, daß sie ein Messer gehalten und es einem Mitmenschen mit Kraft in die Brust gestoßen hatte. Aber er entdeckte schnell, daß sie etwas an sich hatte, was an Sonja Hökberg erinnerte. Zuerst konnte er die Ähnlichkeit nicht bestimmen. Dann erkannte er, was es war.
    Die Augen. Die gleiche Unberührtheit.
    Martinsson hatte sie allein gelassen. Am liebsten hätte Wallander Ann-Britt Höglund bei dem Gespräch mit Eva Persson dabeigehabt. Aber sie war irgendwo draußen in der Stadt und versuchte, die Fahndung nach Sonja Hökberg so effektiv wie möglich ablaufen zu lassen.
    Eva Perssons Mutter hatte verweinte Augen. Sie tat Wallander sogleich leid. Es machte ihm angst, daran zu denken, was sie durchmachte.
    Er kam direkt zur Sache. »Sonja ist geflohen. Jetzt möchte ich fragen, ob du weißt, wohin sie gegangen sein kann. Ich möchte, |69| daß du genau nachdenkst. Und daß du ehrlich bist. Hast du verstanden?«
    Eva Persson nickte.
    »Wohin ist sie also gegangen, was glaubst du?«
    »Sie ist wohl nach Hause gegangen. Wohin denn sonst?«
    Wallander konnte nicht entscheiden, ob das Mädchen ehrlich oder arrogant war. Er sagte sich, daß seine Kopfschmerzen ihn ungeduldig machten.
    »Wenn sie nach Hause gegangen wäre, hätten wir sie schon gefunden«, sagte er und wurde etwas lauter. Die Mutter kroch auf ihrem Stuhl zusammen.
    »Ich weiß nicht, wo sie ist.«
    Wallander schlug einen Kollegblock auf. »Was hat sie für Freunde? Mit wem verkehrt sie? Kennt sie jemanden mit einem Auto?«
    »Meistens sind es wir beide.«
    »Sie muß doch noch andere Freunde haben?«
    »Kalle.«
    »Wie heißt er weiter?«
    »Ryss.«
    »Er heißt Kalle Ryss?«
    »Ja.«
    »Ich will kein einziges Wort hören, das nicht stimmt. Hast du das verstanden?«
    »Warum schreist du so, verdammt? Scheiß Opa. So heißt er. Kalle Ryss.«
    Wallander war nahe daran zu explodieren. Er liebte es gar nicht, Opa genannt zu werden. »Wer ist Kalle?«
    »Er surft. Meistens ist er in Australien. Aber jetzt ist er zu Hause und jobbt bei seinem Alten.«
    »Und wo?«
    »Sie haben einen Eisenwarenladen.«
    »Kalle ist also einer von Sonjas Freunden?«
    »Sie waren mal zusammen.«
    Wallander fragte weiter. Aber Eva Persson kam auf keinen anderen, mit dem Sonja Hökberg Kontakt aufgenommen haben könnte. Sie wußte auch nicht, wohin Sonja geflüchtet sein könnte. |70| In einem letzten Versuch, noch etwas Brauchbares zu erfahren, wandte Wallander sich an Eva Perssons Mutter.
    »Ich kannte sie nicht«, sagte sie so leise, daß Wallander sich über den Tisch beugen mußte, um sie zu verstehen.
    »Sie müssen doch die beste Freundin Ihrer Tochter gekannt haben!«
    »Ich mochte sie nicht.«
    Eva Persson drehte sich blitzschnell um und schlug ihre Mutter ins Gesicht. Es ging so schnell, daß Wallander nicht reagieren konnte. Die Mutter begann zu schreien. Eva Persson schlug weiter und stieß dabei Schimpfworte aus. Wallander wurde in die Hand gebissen, aber es gelang ihm mit einiger Mühe, Eva Persson von ihrer Mutter zu trennen.
    »Bringt die Alte raus!« schrie Eva. »Ich will sie nicht sehen!«
    In dem Augenblick verlor Wallander vollständig die Kontrolle. Er gab Eva Persson eine kräftige Ohrfeige. Der Schlag war so hart, daß Eva Persson umfiel. Mit schmerzender Hand wankte Wallander aus dem Zimmer. Lisa Holgersson, die über den Flur hastete, starrte ihn entgeistert an. »Was ist passiert?«
    Wallander antwortete nicht. Er sah seine Hand an. Sie brannte nach der Ohrfeige.
    Keiner von ihnen hatte den Journalisten einer Abendzeitung bemerkt, der vorzeitig zur Pressekonferenz erschienen war. Während des Tumults hatte er sich mit einer kleinen diskreten Kamera unbeobachtet bis zum Zentrum des Geschehens vorgearbeitet. Er knipste mehrere Bilder und merkte sich, was er sah und hörte. In seinem Kopf nahm schon eine Schlagzeile Gestalt an. In großer Eile kehrte er zur Anmeldung zurück.
     
    Mit einer halben Stunde Verspätung kam die Pressekonferenz endlich in Gang. Lisa Holgersson hatte bis zum Schluß gehofft, daß irgendeine Streife Sonja Hökberg finden würde. Wallander, der sich in dieser Hinsicht keine Illusionen machte, wollte pünktlich anfangen. Teils weil er der Meinung war, daß Lisa Holgersson vergebens hoffte. Aber ebenso wegen seiner Erkältung, die

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