Wallander 08 - Die Brandmauer
Fuß«, sagte Hansson.
»Sonja Hökberg hat den Führerschein«, sagte Martinsson mit dem Telefonhörer am Ohr. »Sie kann per Anhalter fahren, sie kann ein Auto klauen.«
»Vor allem müssen wir mit Eva Persson sprechen«, sagte Wallander. »Und zwar auf der Stelle. Ich pfeife darauf, daß sie minderjährig ist. Jetzt soll sie sagen, was sie weiß.«
Hansson verließ das Zimmer. In der Tür wäre er beinah mit Lisa Holgersson zusammengestoßen, die bei einer Besprechung außerhalb des Präsidiums gewesen war und gerade erfahren hatte, daß Sonja Hökberg verschwunden war. Während Martinsson mit der Mutter in Höör telefonierte, erklärte Wallander Lisa, wie es zu Sonja Hökbergs Flucht hatte kommen können.
»So etwas darf einfach nicht passieren«, sagte sie.
Lisa Holgersson war wütend. Das gefiel Wallander. Er dachte zurück an seinen ehemaligen Chef, Börk, und wie der sich sofort Sorgen gemacht hätte, daß sein Ansehen in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.
»Es darf nicht passieren«, sagte Wallander. »Und doch passiert es. Aber am wichtigsten ist jetzt, daß wir sie schnappen. Dann können wir klären, wo es gehapert hat. Und wer zur Verantwortung gezogen werden muß.«
»Glaubst du, es besteht die Gefahr, daß sie gewalttätig wird?«
Wallander dachte nach. Er sah ihr Zimmer vor sich. All die Plüschtiere.
»Wir wissen zuwenig über sie«, sagte er. »Aber ganz undenkbar ist es nicht.«
Martinsson legte den Hörer auf. »Ich habe mit ihrer Mutter geredet«, sagte er. »Und mit den Kollegen in Höör. Sie wissen, worum es geht.«
»Ich glaube, das weiß keiner von uns«, wandte Wallander ein. »Aber ich will, daß dieses Mädchen so schnell wie möglich gefaßt wird.«
»Hatte sie die Flucht geplant?« fragte Lisa Holgersson.
»Der Wache zufolge nicht«, sagte Martinsson. »Ich glaube, sie hat ganz einfach die Gelegenheit ergriffen, als sie sich bot.«
|67| »Sicher war es geplant«, sagte Wallander. »Sie suchte eine Gelegenheit. Sie wollte von hier weg. Hat jemand mit dem Anwalt gesprochen? Kann er uns helfen?«
»Ich glaube nicht, daß daran schon jemand gedacht hat«, sagte Martinsson. »Er ist gleich nach seiner Unterredung mit ihr weggefahren.«
Wallander stand auf. »Ich rede mit ihm.«
»Die Pressekonferenz«, sagte Lisa Holgersson. »Was machen wir damit?«
Wallander schaute auf die Uhr. Zwanzig nach elf.
»Wir halten sie wie vorgesehen ab. Aber die Nachricht müssen wir ihnen geben. Auch wenn wir uns das lieber erspart hätten.«
»Ich sehe ein, daß ich dabeisein muß«, sagte Lisa Holgersson.
Wallander antwortete nicht. Er ging in sein Zimmer. Sein Kopf hämmerte. Bei jedem Schlucken tat es weh.
Ich sollte im Bett liegen, dachte er. Anstatt hier herumzulaufen und neunzehnjährige Mädchen zu jagen, die Taxifahrer totschlagen.
In einer seiner Schreibtischschubladen fand er Papiertaschentücher. Er wischte sich den Schweiß unter dem Hemd ab. Er hatte Fieber. Dann rief er den Anwalt Lötberg an und berichtete, was geschehen war.
»Das ist unerwartet«, sagte Lötberg, nachdem Wallander ausgeredet hatte.
»Vor allem ist es nicht gut«, sagte Wallander. »Können Sie mir helfen?«
»Ich glaube nicht. Wir haben darüber gesprochen, was jetzt geschehen würde. Daß sie Geduld haben müsse.«
»Hatte sie Geduld?«
Lötberg überlegte. »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Es war nicht leicht, Kontakt zu ihr zu finden. Äußerlich wirkte sie ruhig. Aber wie es unter der Oberfläche aussah, darüber kann ich wenig sagen.«
»Sie erwähnte nichts von einem Freund? Jemand, der sie besuchen sollte?«
»Nein.«
|68| »Überhaupt nichts?«
»Sie wollte wissen, was mit Eva Persson sei.«
Wallander überlegte. »Hat sie nach ihren Eltern gefragt?«
»Nein, hat sie nicht.«
Wallander fand das bemerkenswert. Ebenso eigentümlich wie ihr Zimmer. Das Gefühl, daß etwas mit Sonja Hökberg seltsam war, wurde immer stärker.
»Ich lasse natürlich von mir hören, falls sie Kontakt zu mir aufnimmt«, sagte Lötberg.
Sie beendeten das Gespräch. Wallander sah wieder ihr Zimmer vor sich. Es war ein Kinderzimmer, dachte er. Kein Zimmer, in dem ein neunzehnjähriges Mädchen lebte. Es war das Zimmer einer Zehnjährigen. Irgendwo auf der Strecke ist das Zimmer stehengeblieben, während Sonja immer älter wurde.
Er konnte seinen Gedankengang nicht klar zu Ende denken. Aber er wußte, daß er wichtig war.
Martinsson brauchte weniger als eine halbe Stunde, um dafür zu sorgen,
Weitere Kostenlose Bücher