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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zuständig.
    »Ich war eingeschlafen«, sagte er. »Wann kam der Ausfall?«
    »Vor vierzehn Minuten. Wir brauchten eine Weile, um ihn zu lokalisieren. Du mußt dich beeilen. Die Polizei in Kristianstad hat außerdem einen Defekt am Reserveaggregat. Ihre Notrufanlage ist ausgefallen.«
    |79| Olle Andersson wußte, was das bedeutete. Er legte den Hörer auf und zog sich an.
    Seine Frau Berit war wach geworden. »Was ist denn passiert?«
    »Ich muß raus. Schonen ist ohne Strom.«
    »Ist der Sturm so stark?«
    »Nein. Es muß etwas anderes sein. Schlaf nur weiter.«
    Mit der Taschenlampe in der Hand ging er die Treppe hinunter. Das Haus lag in Svarte. Er würde zwanzig Minuten mit dem Wagen brauchen, um zur Transformatorstation zu gelangen. Während er seine Jacke anzog, fragte er sich, was wohl passiert war.
    Er befürchtete, der Fehler könnte so kompliziert sein, daß er allein nicht in der Lage war, ihn zu beheben. Wenn der Stromausfall umfassend war, mußte die Spannung so schnell wie möglich wieder aufgebaut werden.
    Der Wind war stark, als er auf den Hof hinauskam, aber Olle Andersson war trotzdem sicher, daß es nicht der Wind war, der die Störung verursacht hatte. Er setzte sich in seinen Wagen, eine rollende Werkstatt, schaltete den Funk ein und rief Ågren an. »Ich bin jetzt unterwegs.«
    Er brauchte neunzehn Minuten bis zur Transformatorstation. Die Landschaft lag in absoluter Dunkelheit. Jedesmal, wenn der Strom ausfiel und er unterwegs war, um den Schaden zu beheben, hatte er den gleichen Gedanken. Daß diese kompakte Dunkelheit vor nur hundert Jahren völlig normal gewesen war. Die Elektrizität hatte alles verändert. Kein heute Lebender konnte sich vorstellen, wie es damals gewesen war. Aber Olle Andersson pflegte auch zu denken, wie verwundbar die Gesellschaft geworden war. So konnte ein simpler Defekt in einem der Schaltzentren die Stromversorgung eines ganzen Landesteils lahmlegen.
    »Ich bin da«, gab er Ågren durch.
    »Dann mach schnell jetzt.«
    Die Transformatorstation stand auf einem Acker. Sie war von einem hohen Zaun umgeben. Überall hingen Schilder, die darauf hinwiesen, daß das Betreten Lebensgefahr bedeutete. Er duckte sich gegen den Wind. In der Hand hielt er den Schlüsselbund. Er trug eine Brille, die er selbst konstruiert hatte. Statt Gläsern hatte er zwei kleine, aber starke Taschenlampen oberhalb der Augen |80| montiert. Er suchte die richtigen Schlüssel. Als er an das Tor kam, blieb er wie angewurzelt stehen. Es war aufgebrochen. Er schaute sich um. Kein Auto, kein Mensch.
    Er griff zum Funkgerät und rief Ågren an. »Das Tor ist aufgebrochen«, sagte er.
    Ågren konnte ihn wegen des Sturms nur schwer verstehen. Andersson mußte wiederholen, was er gesagt hatte.
    »Es sieht leer aus«, fuhr er fort. »Ich gehe rein.«
    Er erlebte nicht zum erstenmal, daß das Tor einer Transformatorstation aufgebrochen worden war. Sie erstatteten jedesmal Anzeige bei der Polizei. Manchmal gelang es der Polizei sogar, die Täter zu fassen. Oft waren es Jugendliche, die aus reinem Mutwillen gehandelt hatten. Aber sie hatten zuweilen davon gesprochen, was passieren würde, wenn jemand sich ernsthaft vornähme, Sabotage am Stromnetz auszuüben. Erst im September hatte er an einer Sitzung teilgenommen, auf der einer der technischen Sicherheitsbeauftragten von Sydkraft darüber gesprochen hatte, daß sie ganz neue Sicherheitsmaßnahmen ins Auge fassen müßten.
    Er drehte den Kopf. Weil er seine große Taschenlampe in der Hand hielt, waren es drei Lichtpunkte, die über das Stahlskelett der Transformatorstation glitten. Mitten zwischen den Stahltürmen lag ein kleines graues Haus, das eigentliche Herzstück der Station. Es hatte eine Stahltür, die mit zwei verschiedenen Schlüsseln geöffnet wurde und die Unbefugte nur mit einer kräftigen Sprengladung aufbrechen konnten. An seinem Schlüsselbund hatte er die verschiedenen Schlüssel mit kleinen farbigen Streifen Isolierband markiert. Der rote Schlüssel war für das Tor, Gelb und Blau waren für die Stahltür. Er blickte sich um. Alles wirkte verlassen. Nur der Wind heulte. Er begann zu gehen. Nach ein paar Schritten blieb er stehen. Etwas ließ ihn stutzen. Er schaute sich um. War etwas hinter ihm? Aus dem Funkgerät, das er an seiner Jacke befestigt hatte, erklang Ågrens schnarrende Stimme. Er antwortete nicht. Was hatte ihn innehalten lassen? In der Dunkelheit um ihn herum war nichts. Jedenfalls nichts, was er sehen konnte. Aber ein Geruch.

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