Wallander 08 - Die Brandmauer
hereingeschlichen hat?«
Harald Törngren war an die Dreißig. Er hatte ein längliches Gesicht und kurzgeschnittene Haare. Er lächelte. »Ich suchte eigentlich nach einer Toilette, und niemand hat mich aufgehalten.«
»Was wollen Sie?«
»Ich dachte, Sie könnten das Bild kommentieren. Ich will ein Interview machen.«
»Sie schreiben ja doch nicht, was ich sage.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
Wallander überlegte, ob er Törngren bitten sollte zu verschwinden. |121| Gleichzeitig bot ihm die Situation eine Gelegenheit. »Ich will aber jemanden dabei haben«, sagte er. »Jemanden, der zuhört.«
Törngren lächelte weiter. »Einen Interviewzeugen?«
»Ich habe mit Journalisten schlechte Erfahrungen gemacht.«
»Sie können zehn Zeugen haben, wenn Sie wollen.«
Wallander schaute auf die Uhr. Es war fünf vor halb acht. »Sie bekommen eine halbe Stunde. Nicht mehr.«
»Wann?«
»Jetzt.«
Sie gingen hinein. Irene konnte mitteilen, daß Martinsson schon gekommen war. Wallander bat Törngren zu warten, während er zu Martinssons Zimmer ging. Er saß an seinem Computer. Wallander erklärte ihm in aller Eile die Situation.
»Möchtest du, daß ich ein Tonbandgerät mitnehme?«
»Es reicht, wenn du dabei bist. Und dich nachher an das erinnerst, was ich gesagt habe.«
Martinsson zögerte plötzlich.
»Und du weißt nicht, was er dich fragen will?«
»Nein. Aber ich weiß, was passiert ist.«
»Wenn du nur nicht aufbrausend wirst.«
Wallander reagierte verwundert. »Pflege ich Dinge zu sagen, die ich nicht meine?«
»Das kommt vor.«
Wallander sah ein, daß Martinsson recht hatte. »Ich werde daran denken. Komm, wir gehen.«
Sie setzten sich in eins der kleineren Sitzungszimmer. Törngren stellte sein Tonbandgerät auf den Tisch. Martinsson hielt sich im Hintergrund.
»Ich habe gestern abend mit Eva Perssons Mutter gesprochen«, sagte Törngren. »Sie haben vor, Anzeige gegen Sie zu erstatten.«
»Anzeige weswegen?«
»Körperverletzung. Was sagen Sie dazu?«
»Von Körperverletzung kann gar nicht die Rede sein.«
»Die beiden sind anderer Ansicht. Und ich habe mein Bild.«
»Wollen Sie wissen, was tatsächlich passiert ist?«
»Ich würde gern Ihre Version hören.«
»Das ist nicht eine Version. Es ist die Wahrheit.«
|122| »Aussage steht gegen Aussage.«
Wallander erkannte die Hoffnungslosigkeit des Unterfangens, auf das er sich eingelassen hatte. Aber jetzt war es zu spät. Er schilderte, wie Eva Persson plötzlich ihre Mutter angegriffen hatte und wie er dazwischengegangen war. Das Mädchen sei wie von Sinnen gewesen. Da habe er ihr eine Ohrfeige gegeben.
»Sowohl die Mutter als auch die Tochter sagen etwas völlig anderes.«
»Aber so ist es gewesen.«
»Es klingt nicht besonders plausibel, daß ein Mädchen seine Mutter schlägt.«
»Eva Persson hatte gerade einen Mord gestanden. Die Situation war angespannt. Da können unerwartete Dinge geschehen.«
»Eva Persson sagte gestern zu mir, sie sei zu dem Geständnis gezwungen worden.«
Wallander und Martinsson starrten einander an.
»Gezwungen?«
»Das hat sie gesagt.«
»Und wer soll sie gezwungen haben?«
»Die, die sie verhört haben.«
Jetzt war Martinsson empört. »Das ist das Idiotischste, was ich je gehört habe«, sagte er. »Wir führen hier keine Verhöre mit Zwangsmethoden durch.«
»Das hat sie aber gesagt. Jetzt widerruft sie das Geständnis. Sie sagt, sie sei unschuldig.«
Wallander blickte Martinsson scharf an, und der sagte nichts mehr. Wallander selbst war jetzt ganz ruhig. »Die Voruntersuchung ist noch lange nicht abgeschlossen. Eva Persson ist an dem Verbrechen beteiligt. Wenn sie sich entschließt, ihr Geständnis zurückzunehmen, ändert das nichts an der Sachlage.«
»Sie meinen also, daß sie lügt?«
»Darauf möchte ich nicht antworten.«
»Warum nicht?«
»Weil das hieße, Informationen aus einer laufenden Voruntersuchung an die Öffentlichkeit zu geben. Informationen, die nicht preisgegeben werden dürfen.«
»Aber Sie behaupten, daß sie lügt?«
|123| »Das sind Ihre Worte. Ich stelle nur dar, was vorgefallen ist.«
Wallander sah bereits die Schlagzeilen vor sich. Aber er wußte, daß er das Richtige tat. Daß Eva Persson und ihre Mutter Verschlagenheit an den Tag legten, würde ihnen nicht helfen. Auch nicht, daß ihnen vermutlich übertriebene und gefühlsbetonte Reportagen in der Boulevardpresse zu Hilfe kommen würden.
»Das Mädchen ist sehr jung«, sagte Törngren. »Sie
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