Wallander 08 - Die Brandmauer
wandte Wallander ein. »Wir kreisen erst einmal die vorhandenen Alternativen ein. Aber wir treffen noch keine Wahl.«
»Wer hat sie gefahren?« warf Martinsson ein. »Wenn wir das wissen, dann wissen wir, wer sie getötet hat. Wenn auch nicht, warum.«
»Das kommt danach«, sagte Wallander. »Ich denke, daß Eva Persson kaum von jemand anderem von Sonja Hökbergs Tod erfahren haben kann als von demjenigen, der sie getötet hat.«
Er sah Lisa Holgersson an.
»Das bedeutet, daß Eva Persson der Schlüssel zu dem Ganzen ist. Sie ist minderjährig, und sie lügt. Aber jetzt muß sie unter Druck gesetzt werden. Ich will wissen, wie sie von Sonja Hökbergs Tod erfahren hat.«
Er stand auf. »Und weil nicht ich es bin, der mit Eva Persson sprechen wird, werde ich mich in der Zwischenzeit anderen Dingen widmen.«
Er verließ schnell den Raum, zufrieden mit seinem Abgang. Es war eine kindische Demonstration, das war ihm klar. Aber effektvoll, wenn er sich nicht irrte. Er nahm an, daß man Ann-Britt die Verantwortung für die Gespräche mit Eva Persson übertragen würde. Sie wußte, wonach sie zu fragen hatte. Wallander nahm seine Jacke. Er würde die Zeit nutzen, um Antwort auf eine andere |128| Frage zu bekommen, die ihn beschäftigte. Er hoffte, daß sie sich anschließend der Person, die Sonja Hökberg getötet hatte, von zwei verschiedenen Seiten aus nähern konnten. Bevor er sein Büro verließ, nahm er zwei Fotos aus einer der Ermittlungsmappen und steckte sie in die Tasche.
Er ging zur Stadt hinunter. Die ganze Geschichte hatte etwas Sonderbares an sich, das ihn beunruhigte. Warum war Sonja Hökberg getötet worden? Warum war das auf eine Art und Weise geschehen, die in einem großen Teil Schonens zu einem Stromausfall geführt hatte? War das wirklich Zufall gewesen?
Er ging schräg über den Marktplatz und gelangte in die Hamngata. Das Restaurant, in dem Sonja Hökberg und Eva Persson Bier getrunken hatten, war noch nicht geöffnet. Er schaute durch ein Fenster hinein. Es war jemand im Lokal. Jemand, den er kannte. Er klopfte an die Scheibe. Der Mann hantierte weiter hinter dem Tresen. Wallander klopfte fester. Der Mann blickte auf. Wallander winkte, und der Mann kam ans Fenster.
Als er Wallander erkannte, lächelte er und öffnete die Tür. »Es ist noch nicht neun«, sagte er. »Und du hast schon Appetit auf Pizza?«
»Ungefähr«, sagte Wallander. »Ein Kaffee täte mir gut. Und ich muß mit dir reden.«
István Kecskeméti war 1956 aus Ungarn nach Schweden gekommen. Über die Jahre hinweg hatte er in Ystad verschiedene Restaurants betrieben. Manchmal, wenn Wallander sich nicht aufraffen konnte zu kochen, aß er bei István. Der Mann hatte zuweilen ein übertriebenes Mitteilungsbedürfnis, aber Wallander mochte ihn. Außerdem wußte István inzwischen, daß Wallander zuckerkrank war.
István war allein im Lokal. Aus der Küche hörte man jemanden Fleisch klopfen. Erst ab elf würde für Mittagsgäste geöffnet werden. Wallander setzte sich an einen der Tische tief im Inneren des Lokals, und während er darauf wartete, daß István mit dem Kaffee kam, überlegte er, wo die beiden Mädchen an jenem Abend gesessen und Bier getrunken hatten, bevor sie das Taxi bestellten.
István stellte zwei Tassen auf den Tisch. »Du kommst nicht oft«, |129| sagte er. »Und wenn du kommst, haben wir geschlossen. Das bedeutet, daß du etwas anderes willst als Essen.«
Er warf die Arme in die Luft und stöhnte. »Alle wollen Hilfe von István. Hier rufen Sportvereine und Hilfsorganisationen an. Jemand will einen Friedhof für Tiere aufmachen. Alle bitten um Spenden. Alle wollen, daß István spendet. Damit er Reklame kriegt. Aber wie macht man auf einem Hundefriedhof Reklame für eine Pizzeria?«
Nach einem neuen Stöhnen fuhr er fort. »Vielleicht willst du auch etwas? Soll István Geld spenden für die schwedische Polizei?«
»Es reicht schon, wenn du mir ein paar Fragen beantwortest«, sagte Wallander. »Am letzten Mittwoch. Warst du da hier?«
»Ich bin immer hier. Aber der letzte Mittwoch ist lange her.«
Wallander legte die beiden Fotos auf den Tisch. Es war schummerig im Lokal. »Kennst du diese beiden?«
István nahm die Fotos mit zum Tresen. Er studierte sie ausgiebig, bevor er antwortete. »Ich glaube, ja.«
»Du hast von dem Taximord gehört?«
»Schreckliche Geschichte. Daß es so etwas gibt. Und dann noch Jugendliche.«
Im gleichen Augenblick begriff István den Zusammenhang. »Waren das diese
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