Wallander 08 - Die Brandmauer
aus Lund warten.«
»Ich habe versucht, ein vorläufiges Ergebnis zu bekommen. Aber offenbar braucht es seine Zeit bei verbrannten Körpern.«
»Ich hoffe, ihnen ist klar, wie dringend es ist?«
»Ist es das nicht immer?«
Sie schaute auf die Uhr und stand auf. »Ich muß nach Hause zu den Kindern.«
|113| Wallander hatte das Gefühl, noch etwas sagen zu müssen. Er wußte aus eigener Erfahrung, wie aufreibend eine Scheidung war. »Was macht deine Scheidung?«
»Du hast selbst eine hinter dir. Da weißt du, daß es von Anfang bis Ende beschissen ist.«
Er begleitete sie zur Tür.
»Trink einen Whisky«, sagte sie. »Den kannst du brauchen.«
»Das habe ich schon getan«, antwortete Wallander.
Um sieben hörte Wallander es von der Straße hupen. Durchs Küchenfenster erkannte er Sten Widéns rostigen Kastenwagen. Er steckte die Whiskyflasche in eine Plastiktüte und ging hinunter.
Sie fuhren zum Hof hinaus. Wie üblich wollte Wallander seinen Besuch mit einer Runde durch den Stall beginnen. Viele Boxen standen leer. Ein etwa siebzehnjähriges Mädchen hängte einen Sattel auf. Dann ging sie, und sie waren allein. Wallander setzte sich auf einen Heuballen.
Sten Widén lehnte an der Wand. »Ich fahre«, sagte er. »Der Hof steht zum Verkauf.«
»Was glaubst du, wer ihn kaufen wird?«
»Jemand, der verrückt genug ist, um zu denken, daß es sich rentiert.«
»Bekommst du einen guten Preis?«
»Nein, aber es wird schon reichen. Wenn ich mich einschränke, kann ich von den Zinsen leben.«
Wallander hätte gern gewußt, über wieviel Geld sie eigentlich redeten, mochte aber nicht fragen.
»Weißt du schon, wohin du willst?« fragte er statt dessen.
»Zuerst muß ich verkaufen. Dann entscheide ich mich.«
Wallander holte die Whiskyflasche hervor. Sten nahm einen Schluck.
»Du kannst doch ohne Pferde nicht leben«, sagte Wallander. »Was wirst du machen?«
»Ich weiß nicht.«
»Du wirst dich totsaufen.«
»Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht höre ich dann ganz auf damit.«
|114| Sie verließen den Stall und gingen über den Hof zum Wohnhaus. Der Abend war kühl. Wallanders Neid machte sich wieder bemerkbar. Sein alter Freund Per Åkeson, der Staatsanwalt, befand sich seit mehreren Jahren im Sudan. Wallander war inzwischen zu der festen Überzeugung gelangt, daß er nie zurückkommen würde. Und jetzt brach Sten auf. Zu etwas Unbekanntem, etwas Neuem. Er selbst dagegen kam in einer Abendzeitung vor, die berichtete, daß er ein vierzehnjähriges Mädchen zu Boden geschlagen habe.
Schweden ist ein Land, aus dem viele Menschen fliehen, dachte er. Die es sich leisten können. Und die, die es sich nicht leisten können, sind auf der Jagd nach Geld, um sich der Schar der Auswanderer anschließen zu können.
Wie ist es dazu gekommen? Was ist eigentlich geschehen?
Sie setzten sich in das unaufgeräumte Wohnzimmer, das auch als Büro benutzt wurde.
Sten Widén goß sich ein Glas Cognac ein. »Ich habe schon daran gedacht, Bühnenarbeiter zu werden«, sagte er.
»Was meinst du damit?«
»Genau das, was ich sage. Ich könnte an die Scala in Mailand gehen und einen Job als Kulissenschieber annehmen.«
»Aber das macht man doch alles nicht mehr von Hand?«
»Die eine oder andere Kulisse wird bestimmt noch von Hand bewegt. Stell dir vor, jeden Abend hinter der Bühne. Und Oper hören. Ohne eine Öre zu bezahlen. Ich könnte ihnen anbieten, umsonst zu arbeiten.«
»Bist du fest entschlossen?«
»Nein. Ich habe so viele Vorstellungen. Manchmal frage ich mich, ob ich nicht hinauf nach Norrland gehen sollte. Und mich in einem richtig kalten und widerlichen Schneehaufen vergraben. Ich weiß noch nicht. Ich weiß nur, daß der Hof verkauft werden soll und daß ich abhaue. Aber was machst du?«
Wallander zuckte mit den Schultern, ohne etwas zu sagen. Er hatte mittlerweile zuviel getrunken. Sein Kopf wurde immer schwerer.
»Du jagst weiter Schwarzbrenner?«
Sten Widéns Stimme klang spöttisch. Wallander wurde ärgerlich. |115| »Mörder«, erwiderte er. »Leute, die andere Menschen totschlagen. Mit dem Hammer auf den Kopf. Ich nehme an, du hast von dem Taxifahrer gehört?«
»Nein.«
»Zwei junge Mädchen haben einen Taxifahrer erschlagen und erstochen. Die jage ich. Keine Schwarzbrenner.«
»Ich begreife nicht, wie du das aushältst.«
»Ich auch nicht. Aber jemand muß es machen, und ich mache es vermutlich besser als viele andere.«
Sten Widén sah ihn an und lächelte. »Du brauchst dich
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