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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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behauptet, sie sei durch ihre ältere Freundin in all dies tragische Geschehen hineingezogen worden. Und ist das nicht am wahrscheinlichsten?«
    Wallander erwog schnell, ob er Sonja Hökbergs Tod erwähnen sollte. Die Nachricht war noch nicht an die Öffentlichkeit gegeben worden. Doch er konnte es nicht tun. Dennoch verschaffte sein Wissen ihm Überlegenheit. »Was meinen Sie mit ›am wahrscheinlichsten‹?« fragte er.
    »Daß es sich so verhält, wie Eva sagt. Daß sie von ihrer älteren Freundin verleitet worden ist?«
    »Nicht Sie und Ihre Zeitung führen die Ermittlungen im Mordfall Lundberg. Das tun wir. Wenn Sie Ihre Schlüsse ziehen und Ihre Urteile fällen, kann Sie natürlich niemand daran hindern. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Aber wahrscheinlich wird ihr in der Zeitung nicht soviel Platz eingeräumt werden.«
    Wallander schlug mit den Handflächen auf den Tisch, um anzudeuten, daß das Interview beendet war.
    »Danke, daß Sie sich Zeit genommen haben«, sagte Törngren und packte sein Tonbandgerät ein.
    »Martinsson bringt Sie nach draußen«, sagte Wallander und stand auf.
    Er gab Törngren nicht die Hand, sondern verließ einfach den Raum. Während er seine Post holte, versuchte er, das Gespräch mit Törngren zu rekapitulieren. Gab es etwas, was er hätte sagen sollen, aber nicht gesagt hatte? Hätte er etwas anders ausdrücken sollen? Mit der Post unter dem Arm und einer Tasse Kaffee in der Hand betrat er sein Zimmer. Er sagte sich, daß das Gespräch mit Törngren gut gewesen war, auch wenn er natürlich nicht wissen konnte, wie der Artikel in der Zeitung aussehen würde. Er setzte sich an den Tisch und blätterte die Post durch. Nichts war so wichtig, |124| daß es nicht warten konnte. Dann fiel ihm der Arzt ein, der ihn am Vortag besucht hatte. Wallander suchte in der Schreibtischschublade seine Notizen und rief anschließend die Pathologie in Lund an. Er hatte Glück und bekam sogleich den Arzt an den Apparat, den er suchte. Wallander erzählte kurzgefaßt von Enanders Besuch. Der Pathologe hörte zu und notierte sich Wallanders Mitteilung. Nachdem er versprochen hatte, von sich hören zu lassen, falls die neuen Informationen irgendwelche Auswirkungen auf die bereits durchgeführte gerichtsmedizinische Untersuchung hätten, beendeten sie das Gespräch.
    Um acht stand Wallander auf und ging zum Sitzungszimmer. Lisa Holgersson war da, ebenso Staatsanwalt Lennart Viktorsson. Wallander spürte, wie ihm das Adrenalin hochschoß, als er den Staatsanwalt erblickte. Viele hätten sich wohl geduckt, wenn sie auf der ersten Seite eines Boulevardblatts gelandet wären. Wallander hatte seinen Schwächeanfall schon am Vortag gehabt. Jetzt war er in Kampfeslaune. Er setzte sich auf seinen Platz und ergriff unmittelbar das Wort.
    »Wie alle wissen, hat gestern eine Abendzeitung ein Bild von Eva Persson gebracht, nachdem ich ihr eine Ohrfeige gegeben hatte. Obwohl das Mädchen und seine Mutter etwas anderes behaupten, verhielt es sich so, daß ich eingegriffen habe, als das Mädchen auf seine Mutter losging und sie ins Gesicht schlug. Um sie zur Ruhe zu bringen, gab ich ihr eine Ohrfeige. Nicht besonders hart. Aber sie taumelte und fiel hin. Das habe ich auch dem Journalisten gesagt, dem es gelungen war, sich hier ins Präsidium einzuschleichen. Ich habe ihm heute morgen ein Interview gegeben. Martinsson war als Zeuge dabei.«
    Er machte eine Pause und blickte in die Runde, bevor er fortfuhr. Lisa Holgersson wirkte unzufrieden. Er ahnte, daß sie die Sache lieber selbst aufgegriffen hätte.
    »Mir ist mitgeteilt worden, daß eine interne Untersuchung des Vorfalls durchgeführt werden soll. Von mir aus gern. Und jetzt, meine ich, sollten wir zu Dringenderem übergehen, und zwar zum Mord an Lundberg und zu dem, was eigentlich mit Sonja Hökberg passiert ist.«
    Lisa Holgersson ergriff sofort das Wort, nachdem er geendet |125| hatte. Wallander gefiel ihr Gesichtsausdruck nicht. Er hatte noch immer das Gefühl, verraten worden zu sein.
    »Es ist dir wohl klar, daß du keine weiteren Verhöre mit Eva Persson durchführen darfst«, sagte sie.
    Wallander nickte. »Das verstehe sogar ich.«
    Eigentlich hätte ich etwas anderes sagen sollen, dachte er. Daß es die oberste Pflicht eines Polizeipräsidenten ist, seinen Leuten Rückhalt zu geben. Nicht unkritisch und nicht um jeden Preis. Aber zumindest solange Aussage gegen Aussage steht. Sie findet es bequemer, sich an eine Lüge anzulehnen, als einer unbequemen

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