Wallander 08 - Die Brandmauer
Wahrheit zu vertrauen.
Viktorsson hob die Hand und unterbrach ihn in seinen Gedanken. »Ich werde natürlich die interne Untersuchung genau verfolgen. Und was Eva Persson anbelangt, sollten wir ihre neuen Aussagen ernst nehmen. Vermutlich ist es gewesen, wie sie sagt. Daß Sonja Hökberg allein die Tat geplant und ausgeführt hat.«
Wallander traute seinen Ohren nicht. Er sah sich am Tisch um und suchte Rückendeckung bei seinen engsten Kollegen. Hansson saß in seinem karierten Flanellhemd da und schien in Gedanken weit weg zu sein. Martinsson massierte sich das Kinn, Ann-Britt kauerte zusammengesunken auf dem Stuhl. Keiner fing seinen Blick auf. Aber er interpretierte das, was er sah, trotzdem als Rückendeckung. »Eva Persson lügt«, sagte er. »Das, was sie zuerst gesagt hat, war die Wahrheit. Und das werden wir auch beweisen können. Wenn wir uns anstrengen.«
Viktorsson wollte weitersprechen. Aber Wallander ließ ihn nicht zu Wort kommen. Er zweifelte daran, daß alle schon wußten, was Ann-Britt ihm am Abend zuvor am Telefon gesagt hatte.
»Sonja Hökberg ist ermordet worden«, sagte er. »Die Pathologie hat uns mitgeteilt, daß man eine Verletzung am Hinterkopf gefunden hat, die vermutlich von einem heftigen Schlag herrührt. Er kann tödlich gewesen sein. Sie war zumindest bewußtlos oder betäubt, als jemand sie zwischen die Stromleitungen geworfen hat. Aber daran, daß sie ermordet wurde, brauchen wir nicht mehr zu zweifeln.«
Er hatte richtig vermutet. Seine Information kam für alle im Raum überraschend.
|126| »Ich muß darauf hinweisen, daß es sich um eine vorläufige Beurteilung des Gerichtsmediziners handelt«, fuhr Wallander fort. »Es kann also noch mehr kommen. Aber kaum weniger.«
Keiner sagte etwas. Er spürte, daß er jetzt das Kommando übernommen hatte. Das Bild in der Zeitung machte ihn wütend und gab ihm neue Energie. Aber das schlimmste für ihn war Lisa Holgerssons offenes Mißtrauen.
Er ging weiter und lieferte eine gründliche Lagebeschreibung.
»Johan Lundberg wird in seinem Taxi ermordet. Nach außen wirkt es wie ein spontan geplanter und ausgeführter Raubmord. Die Mädchen erklären, sie hätten Geld gebraucht. Aber nicht für einen bestimmten Zweck. Sie unternehmen keine Anstrengungen, nach der Tat zu entkommen. Als wir sie festnehmen, gestehen sie beide fast unmittelbar. Ihre Darstellungen decken sich, und sie zeigen keine erkennbare Reue. Wir finden außerdem die Mordwaffen. Dann flieht Sonja Hökberg. Zwölf Stunden später wird sie ermordet in einer der Transformatorstationen von Sydkraft gefunden. Wie sie dort hingekommen ist, ist eine entscheidende und noch nicht beantwortete Frage. Warum sie ermordet wird, wissen wir ebensowenig. Gleichzeitig geschieht jedoch etwas, was als wichtig angesehen werden muß. Eva Persson widerruft ihr Geständnis. Jetzt schiebt sie alles auf Sonja Hökberg. Sie macht Aussagen, die nicht mehr kontrolliert werden können, weil Sonja Hökberg inzwischen tot ist. Die Frage ist, woher Eva Persson davon wußte. Richtiger gesagt: Sie muß davon gewußt haben. Aber die Nachricht von dem Mord ist noch gar nicht veröffentlicht. Nur eine sehr begrenzte Anzahl Menschen weiß davon. Und noch weniger wußten es gestern, als Eva Persson ihre Darstellung änderte.«
Wallander verstummte. Im Raum herrschte gespannte Aufmerksamkeit. Er hatte die entscheidenden Fragen eingekreist.
»Was machte Sonja Hökberg, nachdem sie das Präsidium verlassen hatte?« fragte Hansson. »Das müssen wir klären.«
»Wir wissen, daß sie nicht zu Fuß zur Transformatorstation gelangt ist«, sagte Wallander. »Auch wenn es nicht hundertprozentig zu beweisen ist, können wir davon ausgehen, daß sie gefahren ist.«
|127| »Gehen wir jetzt nicht zu schnell vor?« wandte Viktorsson ein. »Sie kann ja schon tot gewesen sein, als sie dorthin kam.«
»Ich bin noch nicht fertig«, erwiderte Wallander. »Die Möglichkeit existiert natürlich.«
»Gibt es etwas, was dagegen spricht?«
»Nein.«
»Ist es dann nicht am wahrscheinlichsten, daß sie schon tot war, als sie dorthin gebracht wurde? Was spricht dafür, daß sie sich freiwillig dorthin begeben hat?«
»Daß sie die Person kannte, die sie fuhr.«
Viktorsson schüttelte den Kopf. »Warum sollte sich jemand zu einer der Anlagen von Sydkraft mitten auf einen Acker begeben? Hat es nicht sogar geregnet? Spricht das nicht eher dafür, daß sie an einem anderen Ort getötet wurde?«
»Jetzt gehst du zu schnell vor«,
Weitere Kostenlose Bücher