Wallander 08 - Die Brandmauer
Stimmung konnte man nie klug werden.«
»Er war verheiratet und hatte Kinder.«
»Über seine Familie haben wir nie gesprochen. Es dauerte bestimmt ein Jahr, bevor ich mitbekam, daß er überhaupt verheiratet war und zwei Kinder hatte.«
»Hatte er andere Interessen neben seiner Arbeit?«
»Keine, von denen ich wüßte.«
»Keine?«
»Nein.«
»Aber er muß doch Freunde gehabt haben.«
»Mit denen, die er hatte, kommunizierte er via Internet. In den vier Jahren, die wir uns kannten, hat er keine einzige Ansichtskarte bekommen.«
»Wie können Sie das wissen, wenn Sie ihn nie besuchten?«
Sie deutete mit den Händen einen Applaus an. »Das ist eine gute Frage. Seine Post ging an mich. Das Problem war nur, daß nie etwas kam.«
»Überhaupt nichts?«
»Das können Sie wortwörtlich nehmen. In all den Jahren kam kein einziger Brief für ihn. Keine Rechnung. Nichts.«
Wallander runzelte die Stirn. »Das zu verstehen fällt mir schwer. Die Post ging an Sie. Aber in den ganzen Jahren kommt nichts?«
»Dann und wann mal eine an Tynnes adressierte Werbesendung. Aber das war auch alles.«
»Er muß also noch eine andere Postanschrift gehabt haben.«
|207| »Vermutlich. Aber die kenne ich nicht.«
Wallander dachte an Falks zwei Wohnungen. Am Runnerströms Torg war nichts gewesen. Aber er konnte sich auch nicht erinnern, in der Apelbergsgata Post gesehen zu haben.
»Das müssen wir untersuchen«, sagte Wallander. »Er macht unbestreitbar einen geheimnisvollen Eindruck.«
»Manche Menschen bekommen vielleicht nicht gern Post. Während andere es lieben, wenn der Briefkasten klappert.«
Wallander wußte plötzlich nichts mehr zu fragen. Tynnes Falk war ihm ein Rätsel. Ich gehe zu schnell vor, dachte er. Zuerst müssen wir sehen, was wir in seinem Computer finden. Wenn er ein richtiges Leben hatte, finden wir es da.
Sie füllte ihr Weinglas nach und fragte, ob er seine Meinung geändert habe. Er schüttelte den Kopf
»Sie haben gesagt, Sie hätten sich nahegestanden. Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, stand er eigentlich niemandem nahe. Sprach er wirklich nie von seiner Frau und seinen Kindern?«
»Nein.«
»Was sagte er, wenn er es doch einmal tat?«
»Dann waren es plötzliche Bemerkungen. Während wir mit einer Arbeit beschäftigt waren, konnte er sagen, daß seine Tochter Geburtstag hatte. Ihn weiter zu fragen war sinnlos. Dann blockte er ab.«
»Haben Sie je seine Wohnung besucht?«
»Nie.«
Die Antwort kam schnell und bestimmt. Etwas zu schnell. Und etwas zu bestimmt, dachte Wallander. Die Frage ist, ob nicht trotz allem ein bißchen mehr war zwischen Tynnes Falk und seiner Assistentin.
Es war neun Uhr geworden. Die Glut im Kamin sackte langsam in sich zusammen. »Ich nehme an, daß in den letzten Tagen auch keine Post für ihn gekommen ist?«
»Nichts.«
»Was ist geschehen, Ihrer Meinung nach?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe geglaubt, Tynnes Falk würde ein alter Mann werden. Den Ehrgeiz hatte er auf jeden Fall. Es muß ein Unglück gewesen sein.«
|208| »Kann er eine Krankheit gehabt haben, von der Sie nichts wußten?«
»Natürlich. Aber es fällt mir schwer, das zu glauben.«
Wallander überlegte, ob er ihr erzählen sollte, daß Falks Leiche verschwunden war. Doch er entschied sich, es bis auf weiteres für sich zu behalten. Statt dessen griff er einen anderen Punkt auf. »In seinem Büro lag die Zeichnung einer Transformatorstation. Kennen Sie die?«
»Ich weiß nicht einmal richtig, was das ist.«
»Eine der Anlagen von Sydkraft außerhalb von Ystad.«
Sie dachte nach. »Ich weiß, daß er eine Reihe von Aufträgen für Sydkraft ausgeführt hat«, sagte sie dann. »Aber damit hatte ich nie zu tun.«
Wallander kam eine Idee. »Ich möchte Sie bitten, eine Liste anzufertigen«, sagte er, »von den Projekten, bei denen Sie zusammengearbeitet haben. Und von denen, die er allein bearbeitet hat.«
»Seit wann?«
»Das letzte Jahr. Fangen Sie damit an.«
»Tynnes kann natürlich Aufträge gehabt haben, von denen ich nichts wußte.«
»Ich spreche mit seinem Steuerberater«, sagte Wallander. »Er muß seinen Auftraggebern ja Rechnungen ausgestellt haben. Aber die Liste von Ihnen hätte ich trotzdem gern.«
»Jetzt?«
»Es reicht, wenn Sie es morgen machen.«
Sie stand auf und stocherte in der Glut. Im Kopf versuchte Wallander in aller Eile, eine Kontaktannonce zu formulieren, die Siv Eriksson dazu bringen würde zu antworten. Sie kehrte zu Ihrem Sessel zurück. »Sind
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