Wallander 08 - Die Brandmauer
viel Geld hätte verdienen können.«
»Warum hat er abgelehnt?«
Sie sah plötzlich bedrückt aus. »Ich weiß es wirklich nicht.«
»Aber Sie haben darüber gesprochen?«
»Er erzählte von den Angeboten, die er bekam. Und welche Summen ihm geboten wurden. Wenn ich es gewesen wäre, ich hätte sofort ja gesagt. Aber er nicht.«
»Sagte er, warum?«
»Er wollte nicht. Er fand, daß er es nicht nötig hätte.«
»Er hatte also reichlich Geld?«
|204| »Das glaube ich eigentlich nicht. Manchmal mußte er sich Geld von mir leihen.«
Wallander zog die Stirn kraus. Er ahnte, daß sie sich etwas Bedeutungsvollem näherten. »Hat er mehr erzählt?«
»Nein. Er fand, daß er es nicht nötig hätte. Das war alles. Wenn ich weiterfragte, blockte er ab. Er konnte manchmal heftig werden. Er bestimmte die Grenzen. Nicht ich.«
Was hatte er statt dessen? dachte Wallander. Was steckte hinter den Ablehnungen?
»Was gab den Ausschlag, wenn Sie Aufträge gemeinsam ausführten?«
Ihre Antwort verblüffte ihn. »Der Grad von Langeweile.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Es gibt immer Teile eines Arbeitsprojekts, die langweilig sind. Tynnes konnte sehr ungeduldig sein. Er ließ mich die langweiligen Teile machen. Dann konnte er sich den Dingen widmen, die schwierig und spannend waren. Am liebsten etwas Neuem. Das sich noch niemand vor ihm ausgedacht hatte.«
»Und damit waren Sie zufrieden?«
»Man muß seine Grenzen kennen. Für mich war es nicht so langweilig. Ich hatte nicht seine Fähigkeiten.«
»Wie haben Sie sich kennengelernt?«
»Bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr war ich Hausfrau. Dann ließ ich mich scheiden und machte eine Ausbildung. Tynnes hielt einmal einen Vortrag. Er faszinierte mich. Ich fragte ihn, ob er mich brauchen könnte. Zuerst sagte er nein. Aber ein Jahr später rief er mich an. Unsere erste Arbeit betraf das Sicherheitssystem einer Bank.«
»Was besagt das?«
»Heute werden Gelder mit schwindelerregendem Tempo hin und her bewegt. Zwischen Personen und Unternehmen, Banken und verschiedenen Ländern. Es gibt immer Menschen, die versuchen, in diese Systeme einzudringen. Die einzige Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, ist, ihnen ständig einen Schritt voraus zu sein. Es ist ein Duell, das nie endet.«
»Das hört sich ausgesprochen hochkarätig an.«
»Das ist es auch.«
|205| »Gleichzeitig muß ich zugeben, daß es sich seltsam anhört. Daß ein Computerberater in Ystad ganz für sich derart komplizierte Aufgaben bewältigt.«
»Einer der großen Vorteile der neuen Technologie ist es, daß man sich im Mittelpunkt der Welt befindet, wo man auch lebt. Tynnes hat mit Unternehmen, Komponentenherstellern und anderen Programmierern in der ganzen Welt konferiert.«
»Von seinem Büro hier in Ystad?«
»Ja.«
Wallander war unsicher, wie er weiter vorgehen sollte. Ob er wirklich verstanden hatte, worin Tynnes Falks Arbeit bestand? Aber es war sinnlos, weiter in die Welt der Computerelektronik einzudringen, ohne daß Martinsson dabei war. Sie sollten im übrigen so schnell wie möglich Kontakt mit der Computerabteilung des Reichskriminalamts aufnehmen.
Wallander beschloß, das Thema zu wechseln. »Hatte er Feinde?«
Er beobachtete ihr Gesicht, als er die Frage stellte. Aber er konnte nichts anderes entdecken als Verwunderung.
»Meines Wissens nicht.«
»Haben Sie in der letzten Zeit etwas Auffälliges an ihm bemerkt?«
Sie überlegte. »Er war wie immer.«
»Und wie war er immer?«
»Launisch. Und er arbeitete viel.«
»Wo trafen Sie sich?«
»Hier. Nie in seinem Büro.«
»Warum nicht?«
»Wenn ich ehrlich sein soll, glaube ich, daß er eine Bazillenphobie hatte. Außerdem fand er es unerträglich, wenn jemand seinen Fußboden schmutzig machte. Ich glaube, er hatte eine Putzmanie.«
»Ich bekomme den Eindruck, daß Tynnes Falk ein ziemlich komplizierter Mensch war.«
»Nicht, wenn man sich an ihn gewöhnt hatte. Er war, wie Männer eben sind.«
»Und wie sind Männer eben?«
|206| Sie lächelte. »Ist das eine private Frage, oder hat sie mit Tynnes zu tun?«
»Ich stelle keine privaten Fragen.«
Sie durchschaut mich, dachte Wallander. Aber was soll’s.
»Männer können kindisch und eitel sein. Auch wenn sie energisch das Gegenteil behaupten.«
»Das hört sich sehr allgemein an.«
»Aber ich meine, was ich sage.«
»Und so war Tynnes Falk?«
»Ja. Aber nicht nur. Er konnte auch großzügig sein. Er bezahlte mir mehr, als er hätte bezahlen müssen. Aber aus seiner
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