Wallander 08 - Die Brandmauer
bezug auf die Arbeit.«
Wallander fragte sich, ob die Nähe vielleicht doch in etwas mehr bestanden hatte. Ein Anflug von Eifersucht durchfuhr ihn.
»Ich nehme an, es ist wichtig, wenn die Polizei mich am Abend besucht«, sagte sie und reichte ihm einen Kleiderbügel. Er folgte ihr in ein geschmackvoll eingerichtetes Wohnzimmer. Im offenen Kamin brannte ein Feuer. Wallander hatte das Gefühl, daß die Möbel und Bilder wertvoll waren.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
Whisky, dachte Wallander. Den könnte ich jetzt brauchen.
»Danke, aber das ist nicht nötig«, sagte er.
Er setzte sich an die Ecke eines dunkelblauen Sofas. Sie wählte einen Sessel ihm gegenüber. Sie hatte schöne Beine. Er merkte plötzlich, daß sie seinen Blick auffing.
»Ich komme aus Tynnes Falks Büro«, sagte er. »Außer einem Computer war dort nichts.«
»Tynnes war ein Asket. Er wollte nichts um sich haben, wenn er arbeitete.«
»Eigentlich bin ich deswegen gekommen. Um zu fragen, was er tat. Oder was Sie taten.«
»Wir haben ab und zu zusammengearbeitet. Aber nicht regelmäßig.«
»Lassen Sie uns damit anfangen, was er tat, wenn er allein arbeitete.«
Wallander bereute, Martinsson nicht angerufen zu haben. Es bestand das Risiko, daß er Antworten bekam, die er nicht verstand.
|202| Noch war es nicht zu spät, ihn hinzuzuholen. Aber zum drittenmal an diesem Abend unterließ es Wallander, ihn anzurufen.
»Ich verstehe nicht viel von Computern«, sagte Wallander. »Deshalb müssen Sie sich sehr einfach ausdrücken.«
Sie betrachtete ihn lächelnd. »Das erstaunt mich allerdings«, sagte sie. »Gestern abend, als ich Ihren Vortrag hörte, bekam ich den Eindruck, daß Computer inzwischen die besten Helfer der Polizei sind.«
»Das gilt nicht für mich. Noch immer müssen einige von uns ihre Zeit damit verbringen, mit Menschen zu reden. Nicht nur in Registern nachzuschlagen. Oder E-Mails hin und her zu schicken.«
Sie stand auf, ging zum Kamin und schürte das Feuer. Wallander betrachtete sie. Als sie sich umdrehte, schaute er schnell auf seine Hände.
»Was wollen Sie wissen? Und warum wollen Sie es wissen?«
Wallander beantwortete die zweite Frage zuerst. »Wir sind nicht mehr sicher, daß Tynnes Falk eines natürlichen Todes starb. Auch wenn die Ärzte ursprünglich von einem Herzinfarkt ausgegangen sind.«
»Einem Herzinfarkt?«
Ihr Erstaunen wirkte vollkommen echt. Wallander dachte sogleich an den Arzt, der ihn besucht hatte, um die Todesursache richtigzustellen.
»Es hört sich sonderbar an, daß es das Herz gewesen sein soll. Tynnes war sehr gut trainiert.«
»Das habe ich schon mehrmals gehört. Und unter anderem deshalb haben wir angefangen, das Ganze zu untersuchen. Die Frage bleibt nur, woran er gestorben sein kann, wenn wir eine akute Erkrankung ausschließen. Eine Form von Gewaltanwendung liegt natürlich nahe. Oder ein Unglücksfall. Möglicherweise ist er gestolpert und so heftig mit dem Kopf aufgeschlagen, daß er daran starb.«
Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Tynnes hätte nie jemanden an sich herankommen lassen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Er war immer wachsam. Er sprach häufig davon, daß er sich |203| auf der Straße nicht sicher fühlte. Deshalb war er stets bereit. Und er war sehr schnell. Er beherrschte außerdem eine asiatische Kampfsportart, deren Namen ich vergessen habe.«
»Hat er Ziegelsteine mit der Hand gespalten?«
»So ungefähr.«
»Sie glauben also, daß es ein Unglück war?«
»Davon gehe ich aus.«
Wallander nickte, bevor er fortfuhr. »Es gibt andere Gründe, warum ich gekommen bin. Aber darauf kann ich im Moment nicht näher eingehen.«
Sie hatte ein Glas Rotwein eingeschenkt. Vorsichtig setzte sie es auf der Armlehne ab. »Sie verstehen sicher, daß ich neugierig bin?«
»Ich kann trotzdem nichts sagen.«
Lüge, dachte Wallander. Nichts hindert mich daran, entschieden mehr zu sagen. Ich sitze nur hier und übe eine absurde Form von Macht aus.
Sie unterbrach seine Gedanken. »Was wollen Sie wissen?«
»Was machte er?«
»Er war ein genialer Systemprogrammierer.«
Wallander hob die Hand. »Hier ist schon Stop. Was besagt das?«
»Er entwickelte Computerprogramme für verschiedene Unternehmen. Oder verbesserte schon vorhandene Programme und machte sie kompatibel. Wenn ich sage, daß er genial war, dann meine ich das auch so. Er bekam Anfragen aus Asien und den USA, dabei ging es um Aufträge auf höchstem Niveau. Aber er hat immer abgelehnt. Obwohl er sehr
Weitere Kostenlose Bücher