Wallander 09 - Der Feind im Schatten
wie mich konnte ein Abend dort einen ganzen Monatslohn bedeuten, wenn man Glück hatte. Sie waren betrunken, wenn sie gingen, einige von ihnen warfen mit großen Scheinen nur so um sich. Da kam einiges zusammen.«
»Wo lag das Lokal?«
»Auf Östermalm. Steht das nicht in dem Artikel? Der Besitzer war ein Mann, der zuvor mit der Nazibewegung vonPer Engdahl zu tun hatte. Seine politischen Ansichten waren widerwärtig, aber er war ein guter Koch. Er hatte als privater Küchenchef für eine ganze Reihe hoher deutscher Offiziere gearbeitet, die nach Argentinien geflohen waren. Er hatte gut verdient, das Essen gekocht, nach dem sie verlangten, hatte Heil Hitler gerufen und war Ende der fünfziger Jahre nach Hause gefahren und hatte sich dieses Lokal gekauft. Alles, was ich hier sage, habe ich von Leuten gehört, die man eine sichere Quelle zu nennen pflegt.«
»Was waren das für Leute?«
Sie zögerte einen Augenblick, bevor sie antwortete. »Personen, die die Engdahl’sche Bewegung verlassen haben.«
Wallander ahnte, dass er Fanny Klarströms Hintergrund nicht ganz verstanden hatte. »Ist es richtig, wenn ich jetzt vermute, dass Sie nicht nur gewerkschaftlich aktiv, sondern auch politisch interessiert waren?«
»Ich war aktive Kommunistin. In gewisser Weise bin ich das immer noch. Die Idee einer solidarischen Welt ist noch immer die einzige, an die ich glauben kann. Die einzige politische Wahrheit, die man nicht in Frage stellen kann, meiner Meinung nach.«
»Hatte Ihre Wahl des Arbeitsplatzes damit zu tun?«
»Die Partei hatte mich gebeten. Es war nicht unwichtig zu wissen, worüber konservative Marineoffiziere redeten, wenn sie unter sich waren. Keiner rechnete damit, dass eine Kellnerin mit geschwollenen Beinen sich irgendetwas merkte von dem, was da geredet wurde.«
Wallander machte sich die Bedeutung dessen, was er gerade hörte, klar. »Gab es ein Risiko, dass das, was Sie zu hören bekamen, Unbefugten zur Kenntnis gebracht wurde?«
Ihr Tränenfluss war versiegt, sie betrachtete ihn beinahe belustigt. »›Unbefugten zur Kenntnis gebracht‹? Fanny Klarström ist nie Spionin gewesen, wenn Sie das meinen. Ich begreife nicht, warum Polizisten sich immer so geschraubt ausdrücken müssen. Ich habe mit meinen Genossenin der Parteigruppe gesprochen, das war alles. Genauso, wie andere über das Verhalten von Straßenbahnfahrern oder Verkäufern berichten konnten. In den fünfziger Jahren wurden wir nicht nur von den Bürgerlichen als potentielle Landesverräter betrachtet. Auch die Sozialdemokraten stimmten in den Chor ein. Aber das waren wir natürlich nie.«
»Dann vergessen wir die Frage. Aber ich bin Polizist, meine Frage ist nicht unbefugt.«
»Das ist über fünfzig Jahre her. Was damals gesagt und getan wurde, muss seit langem verjährt und heute ganz uninteressant sein.«
»Nicht ganz«, wandte Wallander ein. »Die Geschichte ist nicht nur etwas, was hinter uns liegt, sie ist auch etwas, was in unserer Gegenwart weiterwirkt.«
Er war nicht ganz sicher, ob sie verstanden hatte, was er meinte, und lenkte das Gespräch wieder auf den Zeitungsartikel. Er war sich darüber im Klaren, dass es bei Fanny Klarström ein aufgestautes Bedürfnis gab, mit jemandem zu reden, was das Gespräch natürlich in die Länge ziehen konnte.
Sah er in ihrer Situation seine eigene Zukunft? Der Gealterte, Einsame, der nach einem Menschen griff, der ihm über den Weg lief, und ihn festhielt, so lange es ging?
Sie hatte ein gutes Gedächtnis, die Kellnerin Fanny. Sie erinnerte sich an die meisten der Männer in Uniform mit verschiedenen Rangabzeichen, die auf dem Ausdruck zu sehen waren. Ihre Kommentare waren nadelspitz, oft boshaft. Da war zum Beispiel ein Korvettenkapitän Sunesson, der immer mit frechen Geschichten um sich geworfen hatte, die sie als »alles andere als witzig, höchstens plump« bezeichnete. Er war außerdem einer der größten Palmehasser gewesen und hatte ganz unverblümt verschiedene Arten von Liquidation für den »russischen Spion« vorgeschlagen.
»Ich habe eine grauenhafte Erinnerung an diesen Kapitän Sunesson«, sagte sie. »Zwei Tage nachdem Palme auf der Straße niedergeschossen worden war, hatten diese Offiziere ein Abendessen gebucht. Da erhob sich Sunesson und brachte einen Trinkspruch darauf aus, dass Olof Palme endlich so viel Vernunft gezeigt habe, nicht mehr unter den Lebenden zu verweilen und das Dasein aller anständigen Bürger zu verpesten. Ich erinnere mich noch genau an
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