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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Antwort.«
    »Und ihr Mann ist also der hier auf dem Bild?«
    »Håkan von Enke. Falls Sie sich an mehr erinnern können, was ihn betrifft, würde ich es gern hören.«
    Sie dachte nach, betrachtete eingehend das Bild. »Er ist einer von denen, an die man sich nur schwer erinnert. Ich glaube, was ich weiß, habe ich schon gesagt. Vielleicht sagtdas auch etwas über ihn. Er hat nicht viel Wesens von sich gemacht, saß oft still dabei, gehörte nicht zu den Typen, die am meisten tranken und am meisten schwadronierten. In meiner Erinnerung lächelte er ständig.«
    Wallander zog die Stirn in Falten. Konnte es sein, dass ihre Erinnerung sie trog? »Sind Sie sicher, dass er lächelte? Mein Eindruck war, dass er ein sehr ernster Mann war.«
    »Ich kann mich irren. Aber ich bin sicher, dass er nicht zu den schlimmsten Kriegshetzern gehörte. Im Gegenteil, ich glaube, er gehörte zu der kleinen Minderheit, die manchmal versuchte, die Sache des Friedens zu vertreten. Dass ich mich daran erinnere, liegt natürlich daran, dass mich das interessierte.«
    »Was?«
    »Der Frieden. Ich gehörte schon in den fünfziger Jahren zu denen, die verlangten, dass Schweden auf Atomwaffen verzichten sollte.«
    »Håkan von Enke sprach also vom Frieden?«
    »Soweit ich mich erinnere. Aber es ist lange her.«
    »Wissen Sie sonst noch etwas?«
    Wallander sah ihr an, dass sie sich bemühte. Er nippte nur noch am Kaffee und knabberte an einem Zwieback. Plötzlich löste sich eine Plombe in seinem Mund. Sofort spürte er ein Ziehen im Zahn. Er wickelte die Plombe in eine Papierserviette und steckte sie ein. Es war mitten im Sommer. Sein Zahnarzt war bestimmt im Urlaub, und Wallander würde zu einer Ambulanz weitergeschickt werden. Irritiert dachte er, dass sein Körper immer mehr zerfiel. Ein Teil nach dem anderen wurde losgeschüttelt. Wenn die wichtigsten Teile zu funktionieren aufhörten, würde eines Tages alles vorbei sein.
    »Amerika«, sagte Fanny Klarström plötzlich. »Ich wusste doch, dass da noch etwas war.«
    Ein Ereignis hatte sie tief beeindruckt und sich ihr deshalb auch klar eingeprägt. »Es war bei einer der letzten dieserVeranstaltungen, bei denen ich dabei war. Anscheinend waren Wünsche laut geworden, dass man jüngere Damen mit kurzen Röcken und weniger geschwollenen Beinen um sich haben wollte. Mir war es egal, weil ich es sowieso kaum noch ertrug, diesen Herren ihre Getränke und Gerichte zu servieren. Sie trafen sich am ersten Dienstag eines jeden Monats. Es muss 1987 gewesen sein, im Frühjahr. Ich weiß das, weil ich mir den kleinen Finger an der linken Hand gebrochen hatte und lange nicht arbeiten konnte. An diesem Dienstagabend arbeitete ich zum ersten Mal wieder nach meiner Krankschreibung. Es war im März. Der Kaffee mit dem Cognac wurde immer in einem düsteren Zimmer mit Ledersesseln und dunklen Bücherregalen eingenommen. Ich habe immer gern gelesen. Einmal, als ich etwas früher gekommen war, vor dem Eindecken, ging ich in dieses Zimmer und sah mir die Regale an. Da entdeckte ich zu meiner Verblüffung, dass die Bücher nur Attrappen waren, Buchrücken ohne Inhalt. Anscheinend hatte der Besitzer, oder vielleicht der Innenarchitekt, den er beauftragt hatte, diese falschen Bücher in einem Requisitenlager gekauft. Ich weiß noch, wie mein Respekt vor diesen Menschen einen weiteren gehörigen Knacks bekam.«
    Sie richtete sich in ihrem Sessel auf, als müsste sie sich selbst korrigieren, um nicht den Faden zu verlieren. »Plötzlich begann einer von ihnen von Spionen zu reden«, fuhr sie fort. »Ich ging gerade mit einer Flasche teurem Cognac herum und servierte. Dass sie über Spione sprachen, war nichts Ungewöhnliches. Wennerström war ihr Lieblingsobjekt. Wenn sie genügend intus hatten, meldeten einige sich freiwillig, um ihn zu ermorden. Ich erinnere mich an einen Admiral, ich glaube, von Hartman hieß er, der fand, dass Wennerström mit der Saite einer Balalaika langsam erdrosselt werden sollte. Plötzlich begann von Enke zu sprechen. Er stellte die Frage, warum es niemanden kümmerte, dass in Schweden möglicherweise auch Spione für die USA tätigwaren. Da bekam er aber Gegenfeuer. Es artete zu einem üblen Streit aus, bei dem mehrere der Offiziere seine Loyalität in Zweifel zogen. Natürlich waren alle mehr oder weniger betrunken, außer vielleicht von Enke. Er war auf jeden Fall so aufgebracht, dass er aufstand und die Versammlung verließ. Das war an all den Abenden, die ich dort bedient hatte, noch

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