Wallander 09 - Der Feind im Schatten
seine Worte, und es fehlte nicht viel, dass ich ihm etwas über den Kopf gegossen hätte. Es war ein abscheulicher Abend.«
Wallander zeigte auf von Enke. »Was wissen Sie von ihm?«
»Er gehörte zu den Angenehmeren. Er trank nicht zu viel, sagte selten etwas, hörte hauptsächlich zu. Er war auch einer der Höflichsten mir gegenüber. Er sah mich, um es einmal so zu sagen.«
»Aber der Hass auf Palme? Die Angst vor den Russen?«
»Die teilten sie alle. Alle fanden, dass Schweden natürlich der Nato beitreten sollte. Es war eine Schande, dass wir da herausgehalten wurden. Viele von ihnen waren außerdem der Meinung, dass Schweden so schnell wie möglich mit Atomwaffen ausgerüstet werden sollte. Wenn man ein paar U-Boote damit bestücken würde, könnte man die schwedischen Grenzen verteidigen. Bei allen diesen Gesprächen drehte es sich immer um einen Zweikampf zwischen Gott und dem Teufel.«
»Und der Teufel kam aus dem Osten?«
»Und die USA waren der Herrgott. Es wurde schon in den fünfziger Jahren oft darüber geredet, dass amerikanische Flugzeuge schwedisches Territorium überflogen, ohne dass unsere Radarstationen Alarm schlugen. Offenbar bestand ein geheimes Übereinkommen zwischen der Regierung und den Streitkräften, dass die amerikanischen Flieger unbehelligt operieren durften. Unsere Fluglotsen hatten gewisse Kodes, die die Amerikaner benutzten. Sie konnten also vonden Flugbasen in Norwegen abheben und Richtung Sowjetunion fliegen. Ich weiß noch, dass meine Genossen und ich erregt darüber diskutierten.«
»Aber wie war das mit den U-Booten?«
»Die waren natürlich ein ständiges Gesprächsthema.«
»Das U-Boot, das vor Karlskrona auf Grund lief? Und die in Hårsfjärden?«
Ihre Antwort überraschte ihn. »Das waren doch zwei ganz verschiedene Dinge.«
»Wieso?«
»Vor Karlskrona lief ein russisches U-Boot auf Grund. Aber was sich unter der Oberfläche von Hårsfjärden verbarg, dafür gab es nie irgendeinen Beweis. Und das war wohl auch nicht beabsichtigt.«
»Was meinen Sie damit?«
»Manchmal tranken sie auf das Wohl des armen Kapitäns. Wie hieß er noch mal?«
»Guschtschin.«
»Ja, genau. Der Gusche, das arme Schwein, sagten sie. Der so besoffen war, dass er sein U-Boot auf die schwedischen Felsen setzte. Jetzt hatte man das russische U-Boot, das man haben wollte. Nicht wahr? Es bestand kein Zweifel mehr daran, dass es die Russen waren, die in den schwedischen Gewässern ihr Versteckspiel trieben. Aber wenn es um Hårsfjärden ging, tranken sie nie auf das Wohl eines russischen Kapitäns. Verstehen Sie?«
»Meinen Sie, dass es keine Russen waren, die sich dort unter der Oberfläche der Bucht herumtrieben?«
»Es gibt kaum einen Beweis. Weder für das eine noch für das andere.«
Fanny Klarström erzählte lebhaft und anschaulich von Dingen, über die Wallander nicht viel wusste. Begriffe wie »Kalter Krieg« oder »Blockfreiheit« waren für ihn immer Wortkombinationen ohne bestimmten Inhalt gewesen. Dass seine historischen Kenntnisse äußerst begrenzt waren,wusste er und stritt es auch nicht ab. Auch früher in seinem Leben war er nie besonders interessiert gewesen.
Aber jetzt hörte er Fanny Klarström aufmerksam zu. »Russland war also der Feind«, sagte er.
»Keiner unserer Militärs hatte eine andere Meinung. Wenn die Offiziere sich trafen, redete man so, als lägen wir schon im Krieg mit den Russen. Der Tatsache, dass die USA eine ebenso große Bedrohung unserer Souveränität darstellten, maß man keine Bedeutung bei.«
»Was sollten diese Offiziersessen eigentlich bezwecken?«
»Gut zu essen und zu trinken und schlecht über die Politiker zu reden, die ›eine Bedrohung der nationalen Souveränität Schwedens darstellten‹. Genau diese Worte wurden immer wieder benutzt. Die Sozialdemokraten waren der Hauptfeind. Auch wenn alle wussten, dass Palme ein überzeugter Sozialdemokrat war, wurde er in diesen Kreisen stets ›Kommunist‹ genannt.«
Fanny Klarström stand auf, trotz Wallanders Protesten, und kochte frischen Kaffee. Ihm grummelte schon der Magen. Als sie zurückkam, erzählte er vom eigentlichen Grund seines Besuchs in Markaryd.
»Hat nicht etwas von diesem verschwundenen Paar in den Zeitungen gestanden?«, fragte sie, als er geendet hatte.
»Die Frau, Louise, ist vor kurzem tot in der Nähe von Stockholm aufgefunden worden.«
»Die Ärmste. Was ist passiert?«
»Wahrscheinlich ist sie ermordet worden.«
»Und warum?«
»Darauf gibt es noch keine
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