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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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der Hand vorbei. Sie nickte. Wallander sah, dass sie Bescheid wusste. Diesmal drehte er sich nicht nach ihr um. Stattdessen ging er in eine Toilette und schloss sich ein. Der Spiegel über dem Waschbecken hatte einen Sprung. Genau wie ich, dachte Wallander. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht, trocknete sich ab und betrachtete seine geröteten Augen. Der Sprung zerteilte sein Gesicht.
    Er setzte sich auf die Toilette. Es gab noch ein anderes Gefühl in ihm, neben der Scham und der Angst. So etwas war ihm noch nie passiert. Er hatte seine Dienstpistole noch nie an einem Ort aufbewahrt, der gegen die Regeln verstieß. Wenn er seine Waffe mit nach Hause nahm, schloss er sie immer in seinen Waffenschrank ein. Darin hing noch eine Schrotbüchse, die angemeldet war und die er benutzte, wenn er mit seinen Nachbarn auf Hasenjagd ging. Es war etwas, was tiefer hinabreichte als die Tatsache, dass er betrunken gewesen war. Eine andere Art von Vergessen. Ein Dunkel, in dem er kein Licht anzuzünden vermochte.
    Als er schließlich aufstand und zum Zimmer des Polizeipräsidentenging, hatte er mindestens zwanzig Minuten auf der Toilette gesessen. Wenn Martinsson angerufen und mich angekündigt hat, glauben sie sicher, dass ich mich davongemacht habe, dachte er. Doch ganz so schlimm ist es nicht.
    Lennart Mattson hatte den Posten des Polizeipräsidenten in Ystad im Vorjahr angetreten. Vor ihm hatten ihn zwei Frauen innegehabt. Mattson war jung, kaum älter als vierzig, und hatte eine erstaunliche Karriere in der Polizeiverwaltung gemacht, aus der die meisten Präsidenten neuerdings rekrutiert wurden. Wie fast alle aktiven Polizeibeamten betrachtete Wallander diese Form der Rekrutierung als ein ungutes Vorzeichen für die Zukunft der praktischen Polizeiarbeit. Dass Mattson dazu noch aus Stockholm kam und etwas zu oft darüber klagte, wie schwer es ihm fiel, das Schonische zu verstehen, machte die Sache nicht besser. Wallander wusste, dass einige seiner Kollegen sich anstrengten, besonders unverständlich zu sprechen, wenn sie mit Mattson zu tun hatten. An solcher Art boshafter Demonstrationen beteiligte Wallander sich jedoch nicht. Er hatte beschlossen, sich zurückzuhalten und sich aus Mattsons Angelegenheiten herauszuhalten, solange dieser sich nicht allzu sehr in die direkte Polizeiarbeit einmischte. Weil Mattson auch ihn zu respektieren schien, hatte Wallander mit seinem neuen Chef bisher keine Probleme gehabt.
    Aber diese Zeit war wohl jetzt endgültig vorbei.
    Die Tür zu Mattsons Zimmer war angelehnt. Wallander klopfte und trat ein, als er Mattsons helle, beinahe piepsige Stimme hörte.
    Sie setzten sich in die gemusterte Sitzgruppe, die viel zu groß war für den Raum. Mattson hatte eine Technik darin entwickelt, so selten wie möglich ein Gespräch zu beginnen, auch wenn er um das Treffen gebeten hatte. Es ging das Gerücht, ein Berater von der Reichspolizeibehörde habe einmal eine halbe Stunde lang schweigend mit Mattson zusammengesessen.Dann sei der Berater aufgestanden, habe das Zimmer verlassen, ohne dass ein Wort gesagt worden war, und sei nach Stockholm zurückgeflogen.
    Wallander dachte kurz, er könne Mattson vielleicht herausfordern, indem er schwieg. Aber sein Unwohlsein verstärkte sich nur noch, er wollte hier raus, brauchte Luft. »Ich habe keine Erklärung für das, was geschehen ist«, begann er. »Mir ist klar, dass es unverantwortlich war und dass du etwas unternehmen musst.«
    Mattson schien seine Fragen vorbereitet zu haben, denn sie kamen ohne Zögern. »Ist das früher schon einmal vorgekommen?«
    »Dass ich meine Waffe in einem Restaurant vergessen habe? Natürlich nicht!«
    »Hast du ein Alkoholproblem?«
    Wallander runzelte die Stirn. Wie kam Mattson darauf? »Ich trinke maßvoll. Als ich jünger war, habe ich an den Wochenenden einiges getrunken. Aber jetzt nicht mehr.«
    »Trotzdem bist du an einem Wochentag ausgegangen und hast gesoffen?«
    »Ich habe nicht gesoffen , ich habe zu Abend gegessen.«
    »Eine Flasche Wein, ein paar Drinks und Cognac zum Kaffee?«
    »Wenn du es schon weißt, warum fragst du? Aber das nenne ich nicht saufen. Ich glaube, kein vernünftiger Mensch hierzulande würde das tun. Unter saufen verstehe ich, dass man Schnaps oder Wodka aus der Flasche trinkt, um einen Rausch zu kriegen. Sonst nichts.«
    Mattson dachte nach, bevor er die nächste Frage stellte. Wallander überlegte, ob der Mann mit der piepsigen Stimme eigentlich eine Ahnung davon hatte, was polizeiliche

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