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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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bekam.
    »Was glauben Sie?«
    »Ich glaube nichts.«
    Der Fotograf schoss eine ganze Serie von Bildern. Wallanders erster Impuls war, ihn zu schlagen, aber er tat es nicht. Stattdessen rang er ihm das Versprechen ab, im Haus keine Fotos zu machen. Das war privater Bereich. Als der Fotograf und Lisa Halbing versicherten, seinen Wunsch zu respektieren, ließ er sie ins Haus und bat sie, sich an den Küchentisch zu setzen. Er machte Kaffee und bot ihnen die Reste eines Kuchens an, den eine seiner unermüdlich backenden Nachbarinnen ihm vor ein paar Tagen gebracht hatte.
    »Welche Zeitung?«, fragte er, als der Kaffee auf dem Tisch stand. »Das habe ich vergessen zu fragen.«
    »Ich hätte es sagen sollen«, sagte Lisa Halbing, die stark geschminkt war und ihr Übergewicht unter einem lose hängenden Hemd verbarg. Sie war an die dreißig und erinnerte fast ein wenig an Linda, die sich allerdings nie so grell schminken würde. »Ich arbeite für mehrere Zeitungen«, sagte sie dann. »Wenn ich eine gute Story habe, nehme ich die Zeitung, die am besten zahlt.«
    »Und jetzt bin ich also eine gute Story?«
    »Auf einer Skala zwischen eins und zehn wären Sie eine knappe Vier, mehr nicht.«
    »Was wäre ich gewesen, wenn ich den Kellner erschossen hätte?«
    »Dann wären Sie ein perfekter Zehner gewesen. Es hätte eine bombige Schlagzeile mit riesigen schwarzen Lettern gegeben.«
    »Wie haben Sie von dieser Sache erfahren?«
    Der Fotograf fingerte an seiner Kamera, hielt sich aber an seine Zusage.
    Lisa Halbing zeigte weiter ihr unangenehmes Lächeln. »Sie verstehen wohl, dass ich diese Frage nicht beantworten werde.«
    »Natürlich. Ich gehe davon aus, dass der Kellner im Restaurant es Ihnen gesteckt hat.«
    »Nein, der nicht. Aber weitere Fragen dazu beantworte ich nicht.«
    Später dachte Wallander, dass vielleicht einer seiner Kollegen die Waffengeschichte hatte durchsickern lassen. Es konnte jeder sein, sogar Lennart Mattson selbst. Oder warum nicht der interne Ermittler aus Malmö? Wie viel war die Story wohl wert gewesen? In all seinen Jahren als Polizist waren Indiskretionen ein Problem gewesen. Aber es war nie vorgekommen, dass er selbst betroffen war. Er hatte nie einem Journalisten unter der Hand Informationen zukommen lassen und hatte auch nie davon gehört, dass einer seiner engsten Kollegen es getan hätte. Aber was wusste er eigentlich? Mit absoluter Gewissheit nichts.
    Am gleichen Abend rief er Linda an und warnte sie vor, dass am nächsten Tag etwas in der Zeitung stehen würde.
    »Hast du gesagt, wie es war?«
    »Mir soll jedenfalls keiner vorwerfen können, dass ich lüge.«
    »Dann kommst du glimpflich davon. Sie sind auf Lügen aus. Es wird etwas Wirbel geben, aber keine Hetzjagd.«
    In der Nacht schlief Wallander schlecht. Am nächsten Tag wartete er darauf, dass das Telefon Sturm klingeln würde. Aber es kamen nur zwei Anrufe, einer von Kristina Magnusson, die empört war, weil die Geschichte unangemessen groß aufgebauscht worden war.
    Kurz danach rief Lennart Mattson an. »Es ist ausgesprochen unglücklich, dass du dich geäußert hast«, verkündete er in schulmeisterlichem Ton.
    Wallander wurde wütend. »Was hättest du denn getan, wenn ein Fotograf und eine Journalistin vor deiner Tür gestanden hätten? Menschen, die bis in jede Einzelheit Bescheid wussten? Hättest du die Tür zugeschlagen oder gelogen?«
    »Ich dachte, du hättest selbst mit der Presse Kontakt aufgenommen«, sagte Mattson lahm.
    »Dann bist du dümmer, als ich bisher angenommen habe.«
    Wallander knallte den Hörer auf und riss den Telefonstecker aus der Wand. Dann rief er Linda über das Handy an und sagte ihr, dass sie diese Nummer wählen solle, wenn sie ihn sprechen wolle.
    »Komm doch mit uns«, sagte sie.
    »Wohin denn?«
    Sie schien erstaunt zu sein. »Habe ich dir das nicht gesagt? Wir fahren nach Stockholm. Hans’ Vater wird fünfundsiebzig. Komm mit!«
    »Nein«, sagte er. »Ich bleibe hier. Mir ist nicht nach Feiern zumute. Der Abend im Restaurant hat mir gereicht.«
    »Wir fahren übermorgen. Denk noch einmal darüber nach.«
    Als Wallander an diesem Abend zu Bett ging, war er überzeugt, nirgendwohin zu fahren, aber am nächsten Morgen hatte er es sich anders überlegt. Die Nachbarn würden sich um Jussi kümmern. Es wäre vielleicht nicht schlecht, sich ein paar Tage unsichtbar zu machen.
    Am Tag darauf flog er nach Stockholm, während Linda und ihre Familie mit dem Auto fuhren. Wallander stieg in einem Hotel

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