Wallander 09 - Der Feind im Schatten
sich nicht anmerken. Wallander dachte, dass der alte U-Boot-Kapitän seine Kaltblütigkeit zeigte. Was auch geschah, er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
Die von außen so einfach wirkende Jagdhütte zeigte ein ganz anderes Gesicht, als Wallander über die Schwelle trat. Es gab keine Trennwände, nur einen großen Raum mit einer offenen Küche. Das Badezimmer in einem kleinen Anbau war der einzige Raum, den man schließen konnte. In einer Ecke stand ein Bett. Es wirkte spartanisch auf Wallander, eher wie eine Koje oder wie der kleine Schlafplatz, mit dem sich an Bord eines U-Boots auch der Kapitän begnügen musste. Mitten im Raum stand ein großer Tisch mit Büchern, Dokumentenmappen und Papieren. An einer Schmalseite hing ein Regal mit einem Radio, auf einem kleinen Tisch standen ein Fernseher und ein Plattenspieler, daneben ein dunkelroter altmodischer Sessel.
»Ich dachte nicht, dass es hier Strom gibt«, sagte Wallander.
»Mein Generator steht in einem in den Felsen gesprengten Raum. Man hört den Motor selbst bei ganz ruhigem Wetter nicht.«
Håkan von Enke stand am Herd und machte Kaffee. Wallander versuchte, sich auf das bevorstehende Gespräch vorzubereiten. Doch jetzt, da er den Mann gefunden hatte, nach dem er so lange gesucht hatte, wusste er nicht, was er ihn fragen sollte. Alles, was er zuvor gedacht hatte, kam ihm jetzt wie ein Gewirr unfertiger Schlussfolgerungen vor.
»Erinnere ich mich richtig«, sagte von Enke plötzlich und unterbrach ihn in seinen Gedanken, »dass du weder Zucker noch Milch nimmst?«
»Das stimmt.«
»Leider habe ich kein Gebäck. Hast du Hunger?«
»Nein.«
Håkan von Enke räumte eine Seite des großen Tisches frei. Wallander sah, dass die meisten Bücher von moderner Kriegsführung und aktueller Politik handelten. Eines der abgegriffensten hieß Die U-Boot-Drohung , ein vielsagender Titel.
Der Kaffee war stark. Von Enke selbst trank Tee. Wallander bereute, nicht auch Tee genommen zu haben.
Die Uhr zeigte zehn Minuten nach eins.
»Mir ist natürlich klar, dass du viele Fragen hast, auf die du Antworten bekommen möchtest«, sagte von Enke. »Es ist nicht sicher, dass ich alles beantworten kann oder will. Aber zunächst muss ich dir ein paar Fragen stellen. Vor allem: Bist du allein hier?«
»Ja.«
»Wer weiß davon, dass du hier bist?«
»Niemand.«
Wallander sah, dass von Enke zögerte, der Antwort Glauben zu schenken.
»Niemand«, wiederholte Wallander. »Diese Reise ist ganz und gar meine Angelegenheit. Niemand sonst ist an der Expedition beteiligt.«
»Auch Linda nicht?«
»Auch sie nicht.«
»Wie bist du hergekommen?«
»In einem kleinen Boot mit Außenborder. Wenn du willst, kann ich dir den Namen des Vermieters nennen. Aber er hat keine Ahnung, wohin ich wollte. Ich sagte, ich würde einen alten Freund an seinem Geburtstag überraschen. Ich bin überzeugt, dass er mir geglaubt hat.«
»Wo liegt das Boot?«
Wallander zeigte über die Schulter. »Auf der anderen Seite der Insel. An Land gezogen und an einer Erle festgemacht.«
Håkan von Enke betrachtete schweigend seine Teetasse. Wallander wartete.
»Ich wundere mich natürlich nicht darüber, dass mich am Ende jemand gefunden hat«, sagte von Enke. »Aber ich gebe zu, ich hätte nicht gedacht, dass du es wärst.«
»Wen hast du denn da draußen in der Dunkelheit erwartet?«
Håkan von Enke schüttelte den Kopf, er wollte nicht antworten. Wallander beschloss, die Frage vorläufig ruhen zu lassen.
»Wie hast du mich gefunden?« Von Enke wirkte müde, als er seine Frage stellte.
Wallander sagte sich, dass es anstrengend sein musste, auf der Flucht zu sein, auch wenn man nicht die ganze Zeit in Bewegung war, von einem Ort zum anderen. »Als ich auf Bokö war, machte Eskil Lundberg eine Bemerkung, dass die Hütte perfekt sei für jemanden, der von der Bildfläche verschwinden wolle. Wir fuhren auf dem Rückweg zum Festland hier vorbei. Du weißt natürlich, dass ich bei ihm war. Was er da sagte, war wie ein Samenkorn, das langsamaufging. Als ich dann hörte, dass du eine besondere Vorliebe für Inseln hast, kam ich darauf, dass du hier sein könntest.«
»Wer hat von mir und meinen Inseln erzählt?«
Wallander entschied sich dafür, Sten Nordlander zunächst aus der Sache herauszuhalten. Es gab eine andere Antwort, die nicht zu kontrollieren war. »Louise.«
Von Enke nickte stumm. Dann streckte er den Rücken, machte sich gewissermaßen bereit.
»Wir können dies hier auf zweierlei Weise
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