Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
schwiegen. Wallander hörte es in der Wand hinter sich rascheln.
    »Mäuse«, sagte Håkan von Enke. »Als ich herkam, war es noch kalt. Manchmal war es geradezu unheimlich, wie es in den Wänden raschelte und nagte. Aber eines Tages werde ich die Bewegungen der Mäuse in den Hohlräumen nicht mehr hören.«
    »Ich will dich in deiner Erzählung nicht unterbrechen«, sagte Wallander. »Aber als du an jenem Morgen verschwunden bist, hast du da gleich die Jagdhütte aufgesucht?«
    »Ich bin abgeholt worden.«
    »Von wem?«
    Von Enke schüttelte den Kopf. Wallander insistierte nicht.
    »Ich war bei meinem Waffenschrank«, fuhr von Enke fort. »Einige Monate später glaubte ich wieder, die Aktentasche sei verrückt worden. Ich sagte mir natürlich wieder, dass ich mir etwas einbildete. Die Papiere in der Tasche waren auch nicht in Unordnung. Aber diesmal machte ich mir doch Gedanken. Die Schlüssel zum Waffenschrank lagen unter einer Briefwaage auf meinem Schreibtisch. Nur Louise wusste, wo sie waren. Ich tat daraufhin das, was man tun sollte, wenn man sich solche Gedanken macht.«
    »Nämlich?«
    »Ich fragte sie geradeheraus. Sie saß in der Küche beim Frühstück.«
    »Und was antwortete sie?«
    »Sie sagte nein. Und stellte die naheliegende Frage, warum sie sich für meinen Waffenschrank interessieren sollte. Ich glaube, es war ihr nie recht, dass ich Waffen zu Hause hatte, auch wenn sie nichts sagte. Ich weiß noch, dass ich mich schämte, als ich zu dem wartenden Wagen ging, der mich zum Stab bringen sollte. Meine damalige Stellung gab mir das Recht auf einen wehrpflichtigen Fahrer.«
    »Was geschah dann?«
    Wallander spürte, dass seine Fragen von Enke störten. Er wollte selbst den Takt und das Tempo bestimmen. Wallander hob die Hände wie zur Entschuldigung. Er würde nicht mehr unterbrechen.
    »Ich war überzeugt davon, dass Louise die Wahrheit sagte. Dennoch hatte ich weiter das Gefühl, dass meine Tasche und die Dokumente bewegt worden waren. Widerwillig arrangierte ich kleine unsichtbare Fallen. Ich heftete Papiere bewusst in falscher Reihenfolge ab, legte ein Haar ins Schloss der Tasche, ließ einen Fettfleck am Griff. Die schwierigste Frage war natürlich die nach dem Motiv. Warum sollte Louise sich für meine Papiere interessieren? Ichkonnte mir nicht vorstellen, dass sie es aus Neugier oder aus Eifersucht tat. Sie wusste, dass sie dazu keinerlei Grund hatte. Es dauerte mindestens ein Jahr, bis ich mir zum ersten Mal die Frage stellte, ob das Undenkbare möglich wäre.«
    Nach einer kurzen Pause fuhr von Enke fort: »Konnte Louise Kontakt zu einer fremden Macht unterhalten? Es erschien aus einem sehr einfachen Grund unwahrscheinlich. Die Dokumente, die ich mit nach Hause nahm, waren äußerst selten von der Art, dass sie für den Geheimdienst einer fremden Macht von Interesse hätten sein können. Aber meine Unruhe ließ mich nicht los. Ich merkte, dass ich anfing, meiner Frau zu misstrauen, sie zu verdächtigen, allein aufgrund vager Ahnungen oder wegen eines Haars, dessen Lage verändert war. Schließlich, und jetzt befinden wir uns am Ende der siebziger Jahre, beschloss ich, ein für alle Mal herauszufinden, ob mein Verdacht gegen Louise gerechtfertigt war oder nicht.«
    Er stand auf und suchte etwas in einer Ecke, in der zahlreiche Kartenrollen lagen. Als er zurückkam, breitete er eine Seekarte der mittleren Ostsee auf dem Tisch aus. Die Kanten beschwerte er mit Steinen. »Herbst 1979«, sagte er. »Genauer gesagt: August und September. Wir wollten unser übliches Herbstmanöver durchführen, an dem die Mehrzahl unserer Schiffe beteiligt sein sollte. Mit der Übung als solcher hatte es nichts Besonderes auf sich. Es war in meiner Zeit beim Stab, ich sollte als Beobachter teilnehmen. Ungefähr einen Monat vor dem Beginn des Manövers, als alle Pläne und Zeittabellen erstellt waren, alle Navigationsrouten festgelegt und alle Schiffe auf verschiedene Übungsgebiete verteilt waren, machte ich einen eigenen Plan. Ich erstellte ein Dokument, das ich selbst als Geheimdokument kennzeichnete. Sogar der Oberbefehlshaber musste es unterschreiben, ohne genaues Wissen natürlich. Ich fügte einen ordentlichen geheimen Bestandteil in die Übung ein, bei dem eins unserer U-Boote ein technisch extrem anspruchsvollesTankmanöver mit einem radargesteuerten Schiff durchführen sollte. Es war zwar alles Erfindung, aber man konnte es sich durchaus in der Realität vorstellen. Ich beschrieb exakt die Position und die

Weitere Kostenlose Bücher