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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hängte in ihrem kleinen Garten Wäsche auf. Wallander war gerade aus der Schule gekommen und aß in der Küche Butterbrote. Er sah seine Mutter dastehen, mit Wäscheklammern und einem Kopfkissenbezug in der Hand. Im nächsten Moment kniete sie am Boden, die Hände an die Brust gepresst. Erst glaubte er, sie habe etwas fallen lassen, dann sah er sie zur Seite kippen, langsam, als wolle sie dagegen ankämpfen. Er war hinausgelaufen und hatte ihren Namen gerufen, aber ihr war nicht mehr zu helfen. Der Arzt, der sie später obduzierte, sagte, es sei ein massiver Herzinfarkt gewesen. Selbst wenn sie schon im Krankenhaus gewesen wäre, hätte man ihr Leben nicht retten können.
    Jetzt sah er es vor sich, in flimmernden, zuckenden Bildern, während er versuchte, seine eigenen Schmerzen abzuwehren. Er wollte sein Leben nicht vorzeitig beenden wie seine Mutter, vor allem wollte er nicht jetzt sterben, einsam auf einer Schäre in der Ostsee.
    Er sprach stumme, erregte Gebete. Kaum zu einem Gott, mehr zu sich selbst, um zu widerstehen, sich nicht insSchweigen hinabziehen zu lassen. Und er merkte schließlich, dass die Schmerzen nicht stärker wurden, dass sein Herz weiterschlug. Er versuchte, sich zur Ruhe zu zwingen, besonnen zu handeln, nicht in blinde Panik zu geraten. Vorsichtig setzte er sich auf und tastete nach dem Handy, das er neben den Rucksack gelegt hatte. Er rief Lindas Nummer auf, hielt aber inne. Was konnte sie tun? Wenn er wirklich einen Herzinfarkt hatte, sollte er die Nummer des Notrufs wählen.
    Doch etwas hielt ihn zurück. Vielleicht lag es daran, dass er zu spüren meinte, wie die Schmerzen nachließen. Am Handgelenk fühlte er, dass sein Puls regelmäßig war. Vorsichtig drehte er den linken Arm und fand eine Stellung, in der er frei atmen konnte. Das passte nicht zu den Symptomen bei einem akuten Herzinfarkt. Er fühlte erneut seinen Puls. Vierundsiebzig Schläge pro Minute. Sein normaler Puls lag zwischen sechsundsechzig und achtundsiebzig. Es ist Stress, dachte er. Mein Körper simuliert etwas, was mir passieren kann, wenn ich mich nicht beruhige, wenn ich mir immer weiter einbilde, ein unersetzlicher Polizist zu sein, wenn ich nicht richtig Urlaub mache.
    Er legte sich wieder hin. Die Schmerzen nahmen weiter ab, auch wenn sie, wie eine Art Drohung, im Hintergrund noch vorhanden waren.
    Eine Stunde später wagte er zu hoffen, dass er keinen Herzinfarkt erlitten hatte. Es war eine Warnung gewesen. Vielleicht sollte er nach Hause fahren, Ytterberg anrufen und ihm alles erzählen, was er herausgefunden hatte. Doch er beschloss zu bleiben. War er schon so weit gefahren, wollte er auch in Erfahrung bringen, ob er richtig gedacht hatte. Was immer das Ergebnis wäre, danach könnte er die Angelegenheit Ytterberg überlassen. Dann würde er sich nicht mehr damit befassen.
     
    Er spürte große Erleichterung. Es war ein Lebensrausch, wie er ihn seit Jahren nicht erlebt hatte. Am liebsten wäre er aufgestanden und hätte seine Freude aufs Meer hinausgebrüllt. Aber er blieb sitzen, an den Baumstamm gelehnt, sah die Boote, die vorbeifuhren, sog den Duft des Meeres ein. Es war noch warm, als er sich mit seiner Jacke zudeckte und einschlief. Als er erwachte, waren kaum zehn Minuten vergangen, und die Schmerzen waren fast verschwunden. Er stand auf und ging um die kleine Felseninsel herum. Auf der Südseite erhob sich die Klippe beinahe senkrecht. Es war kaum möglich, dicht an der Wasserkante zu gehen.
    Plötzlich hielt er inne und duckte sich. Ungefähr zwanzig Meter vor ihm war eine Felsspalte. Davor ankerte ein Motorboot, und eine Jolle war ein Stück auf die Klippe hinaufgezogen. In der Felsspalte lagen zwei Menschen und liebten sich. Er presste sich an die Felswand, konnte aber der Versuchung, zuzusehen, nicht widerstehen. Die beiden waren jung, kaum älter als zwanzig Jahre. Er starrte einen Moment wie gebannt auf ihre nackten Körper, bevor er sich losreißen konnte und den gleichen Weg zurückging, auf dem er gekommen war. Ein paar Stunden später, als es Abend geworden war, sah er das Motorboot mit der Jolle im Schlepp vorbeiziehen. Er stand auf und winkte. Der Junge und das Mädchen im Cockpit winkten zurück.
    Auf eine Weise beneidete er sie. Aber es waren keine finsteren Gedanken. Eine Sehnsucht zurück in die Zeit seiner Jugend kannte er nicht. Seine frühesten erotischen Erlebnisse waren wie die der meisten jungen Männer gewesen, unsicher, ernüchternd, oft an der Grenze des Peinlichen. Er hatte

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