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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Krankenhäuser. Dieser Weg ist also versperrt. Bleibt nur die zweite Möglichkeit.«
    Wallander hob die Hand und unterbrach sie. »Lass uns einmal etwas annehmen«, sagte er, »von dem wir beide wissen, dass es wesentlich häufiger vorkommt, als man allgemein denkt. Besonders wenn es sich um ältere Männer handelt.«
    »Dass er eine andere Frau gehabt hätte und mit ihr durchgebrannt wäre?«
    »Ungefähr so.«
    Sie schüttelte energisch den Kopf. »Natürlich habe ich mit Hans darüber gesprochen. Er hat entschieden verneint, dass es irgendwelche Leichen im Keller geben könnte. Håkan ist Louise sein Leben lang treu gewesen.«
    Wallander drehte den Spieß um: »Und Louise? Ist sie treu gewesen?«
    Die Frage hatte Linda sich nicht gestellt, das konnte er sehen. Noch hatte sie nicht alles darüber gelernt, welche Richtungsänderungen man in einer Befragung vornehmen konnte. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Dafür ist sie nicht der Typ.«
    »Das ist eine schlechte Antwort. Man kann nie von einem Menschen sagen, dass er so oder so nicht ist. Das hieße ihn unterschätzen.«
    »Dann lass es mich so sagen: Ich glaube nicht, dass sie Affären gehabt hat. Aber ich kann es natürlich nicht mit Bestimmtheit sagen. Frag du sie!«
    »Das werde ich ganz bestimmt nicht tun. Es wäre unverschämt in der gegenwärtigen Situation.«
    Wallander zögerte vor der nächsten Frage, die in seinemKopf auftauchte. »Du und Hans, ihr müsst in diesen Tagen miteinander gesprochen haben. Er kann ja nicht ununterbrochen über seine Monitore gebeugt dasitzen. Was sagt er? War er erstaunt, als Håkan verschwand?«
    »Ist das nicht selbstverständlich?«
    »Ich weiß es nicht. Aber als ich in Stockholm war, bekam ich den Eindruck, dass Håkan sich um irgendetwas Sorgen machte.«
    »Warum hast du nichts davon erzählt?«
    »Weil ich es von mir geschoben habe. Ich dachte, ich bilde mir etwas ein.«
    »An deiner Intuition ist aber in der Regel nichts auszusetzen.«
    »Danke. Aber felsenfest überzeugt bin ich nur noch selten.«
    Linda saß schweigend da. Wallander betrachtete ihr Gesicht. Sie hatte nach der Schwangerschaft zugenommen, ihre Wangen waren runder geworden. Dass sie müde war, sah er an ihren Augen. Er dachte an Mona und ihre ständige Wut darüber, dass er nie genug half, wenn Linda nachts wach wurde und schrie. Wie es ihr wohl geht? dachte er. Wenn Kinder kommen, werden alle Bogen auf einmal gespannt. Und schnell reißt eine Sehne.
    »Etwas sagt mir, dass du recht hast«, sagte Linda schließlich. »Wenn ich jetzt darüber nachdenke, erinnere ich mich an Situationen, in denen er beunruhigt wirkte, auch wenn es kaum zu merken war. Er blickte sich über die Schulter.«
    »Buchstäblich oder bildlich?«
    »Buchstäblich. Er drehte sich um. Ich habe vorher nicht darüber nachgedacht.«
    »Fällt dir sonst noch etwas ein?«
    »Er hat genau kontrolliert, ob die Türen verschlossen waren. Und gewisse Lampen sollten immer brennen.«
    »Warum?«
    »Ich weiß es nicht. Aber da war zum Beispiel eine Schreibtischlampein seinem Arbeitszimmer und das Flurlicht bei der Außentür.«
    Ein alter Marineoffizier, dachte Wallander, der nachts das Fahrwasser beleuchtet. Einsam gelegene Leuchttürme in einer geheimen militärischen Fahrrinne, wo Schiffe normalerweise nicht fahren.
    In diesem Moment erwachte die Kleine, und Wallander hielt sie, bis sie aufhörte zu schreien.
    Im Zug nach Stockholm beschäftigten die angezündeten Lampen ihn weiter. Dies war ein Geheimnis, das er versuchen musste zu durchdringen. Auch wenn die Erklärung einfach schien. Und er musste sich Håkan von Enke auf Wegen nähern, von denen er noch keine Vorstellung hatte.
     
    Aber er dachte trotz allem, dass von Enkes Verschwinden eine plausible und undramatische Lösung finden würde.

 
6
     
    Am Ende der siebziger Jahre hatten Mona und er eine Reise nach Stockholm unternommen. Wallander erinnerte sich, dass sie damals im Sjöfartshotell gewohnt hatten, und dort hatte er auch jetzt angerufen und ein Zimmer für zwei Nächte bestellt. Als er aus dem Zug stieg, war er unschlüssig, ob er ein Taxi oder die U-Bahn nehmen sollte. Das Ergebnis war, dass er seine leichte Tasche über die Schulter warf und sich für einen Spaziergang entschied. Es war immer noch kalt, aber die Sonne schien, keine Regenwolken, die sich am Horizont auftürmten.
    Sie waren im Sommer 1979 nach Stockholm gefahren, erinnerte er sich, als er durch Gamla Stan ging. Die Reise war nicht seine Idee gewesen;

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