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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Bei einem Besuch am zehnten April entdeckte der Orthopäde im Krankenhaus von Ystad, dass der Bruch nicht so verheilt war, wie er gewünscht hätte. Einen Moment lang dachte Wallander voller Entsetzen, das Handgelenk müsste noch einmal gebrochen werden, doch der Arzt beruhigte ihn damit, dass es noch andere Möglichkeiten gebe. Es war jedoch wichtig, dass Wallander die Hand nicht benutzte, deshalb konnte er auch noch nicht zurück an seine Arbeit.
    Nach dem Besuch beim Orthopäden blieb Wallander in der Stadt. Im Theater von Ystad wurde an diesem Abend ein Stück eines modernen amerikanischen Dramatikers gespielt. Wallander hatte von Linda, die erkältet war und nicht ins Theater gehen konnte, eine Eintrittskarte bekommen. In ihren Teenagerjahren hatte sie davon geträumt, Schauspielerin zu werden. Doch der Wunsch war rasch verflogen. Jetzt war sie dankbar, so schnell eingesehen zu haben, dass ihr das Talent für die Bühne fehlte.
    Schon nach zehn Minuten begann Wallander, auf die Uhr zu sehen. Die Vorstellung langweilte ihn. Mäßig begabte Schauspieler gingen in einem Zimmer umher und legtenhier und dort ihre Repliken ab, auf einem Regal, einem Tisch oder vielleicht einem Fensterbrett. Das Stück handelte von einer Familie, die im Begriff war, unter dem inneren Druck von ungelösten Konflikten, Lügen und abgenutzten Träumen auseinanderzubrechen; es interessierte ihn nicht. Als endlich die Pause kam, holte Wallander seine Jacke und verließ das Theater. Er hatte sich auf die Vorstellung gefreut und war bedrückt. Lag es an ihm, oder war die Vorstellung wirklich so langweilig, wie er sie empfunden hatte?
    Sein Wagen stand am Bahnhof. Nachdem er die Gleise überquert hatte, nahm er eine Abkürzung, die auf einem ausgetretenen Pfad zur Rückseite des roten Bahnhofsgebäudes führte. Plötzlich erhielt er einen harten Stoß in den Rücken und wäre fast zu Boden gestürzt. Zwei junge Männer, vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt, standen vor ihm. Der eine trug einen Kapuzenpulli, der andere eine Lederjacke. Der Junge mit der über den Kopf gezogenen Kapuze hielt ein Messer in der Hand. Ein Küchenmesser, dachte Wallander, bevor der Junge in der Lederjacke ihm die Faust ins Gesicht schlug. Seine Oberlippe platzte auf und blutete. Er erhielt einen zweiten Schlag, diesmal an die Stirn. Der Junge war stark und schlug hart, als wäre er voller Wut. Dann zerrte er an Wallanders Kleidung und zischte, er wolle Brieftasche und Handy haben. Wallander hob einen Arm, um sich zu schützen, und behielt das Messer im Auge. Plötzlich erkannte er, dass die Jungen noch mehr Angst hatten als er und dass er sich wegen des Messers in einer zitternden Hand keine Sorgen zu machen brauchte. Er holte aus und trat nach dem Jungen mit dem Messer. Er traf nicht, konnte aber die Hand des Jungen packen und umdrehen. Das Messer flog davon. Gleichzeitig spürte er einen heftigen Schlag in den Nacken und fiel zu Boden. Der Schlag war so schwer, dass er nicht hochkommen konnte. Er kniete auf der Erde, spürte, wie die nasse Kälte durch die Hosenbeine drang, und dachte, dass sie jetzt vielleicht auf ihn einstechen würden.Aber nichts geschah. Als er aufsah, waren die Jungen verschwunden. Er tastete mit der Hand in den Nacken und fühlte, dass sie klebrig wurde. Langsam stand er auf, merkte, wie ihm schwarz vor Augen wurde, und hielt sich an dem Zaun fest, der die Gleise vom Gehweg trennte. Er holte einige Male tief Luft und ging nach einer Weile zu seinem Wagen. Die Jungen waren verschwunden. Sein Nacken war blutig, aber er würde die Wunde zu Hause selbst behandeln können. Er hatte wahrscheinlich nur eine leichte Gehirnerschütterung davongetragen.
    Er blieb im Wagen sitzen, ohne den Motor anzulassen. Aus einer Welt in die andere, dachte er. Ich sitze in einem Theater, wo ich mich nicht beteiligt fühle, ich verlasse es und werde in eine Welt hinausgeschleudert, der ich in meinem Beruf von außen begegne. Jetzt war ich derjenige, der dort lag, niedergeschlagen und bedroht.
    Vor allem dachte er an das Messer. Am Anfang seiner Laufbahn, als junger Polizist in Malmö, war er im Pildammspark von einem Verrückten, der Amok lief, durch einen Messerstich schwer verletzt worden. Wäre die Klinge nur wenige Zentimeter daneben in seinen Körper eingedrungen, hätte sie ihn direkt ins Herz getroffen. Dann hätte er nicht all die Jahre in Ystad gelebt und eine Tochter mit Namen Linda aufwachsen sehen.
    Er erinnerte sich daran, dass er gedacht hatte:

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