Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
Gesicht. Sie rückte ein Stück zur Seite, um ihr auszuweichen. Wallander dachte, dass sie eine von jenen Frauen war, die ihre Schönheit hinter einer Maske von Alltäglichkeit zu verbergen suchen. Als hätte sie seinen Gedanken erraten, lächelte sie ihm unsicher zu.
    Wallander holte sein Notizbuch heraus und schrieb Sten Nordlanders Telefonnummern auf. Er registrierte, dass sie sie auswendig wusste, nicht nur die Festnetznummer, sondern auch die des Handys.
    Sie sprachen eine Stunde, ohne dass Wallander das Gefühl hatte, etwas zu erfahren, was er nicht bereits wusste. Dann führte sie ihn in das Arbeitszimmer ihres Mannes.
    Wallander betrachtete die Schreibtischlampe. »Er ließ nachts das Licht brennen?«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Linda hat es erwähnt. Unter anderem diese Lampe hier.«
    Sie schloss die schweren Vorhänge, während sie antwortete. Wallander nahm den kaum merkbaren Tabakgeruch im Zimmer wahr.
    »Er fürchtete sich im Dunkeln«, sagte sie, während sie Staub aus einem der Vorhänge schüttelte. »Diese Furcht hatte er auf seinen U-Booten bekommen. Sie trat erst viel später zutage, als er schon für immer an Land war. Ich musste ihm versprechen, niemandem etwas davon zu sagen.«
    »Dennoch weiß dein Sohn davon? Und er wiederum hat es Linda erzählt.«
    »Håkan muss es Hans gegenüber erwähnt haben, ohne dass ich davon wusste.«
    In einem anderen Zimmer klingelte das Telefon.
    »Das Zimmer steht zu deiner Verfügung«, sagte sie, bevor sie durch die hohe Doppeltür verschwand.
    Wallander ertappte sich dabei, dass er sie auf die gleiche Art und Weise betrachtete wie Kristina Magnusson. Ersetzte sich auf den Schreibtischstuhl aus rostbraunem Holz, mit grünem Lederbezug auf Sitz und Rückenlehne. Langsam blickte er sich im Raum um. Er knipste die Lampe an. Um den Schalter herum lag Staub. Wallander zog den Finger über die polierte Mahagonifläche. Dann hob er die Schreibtischunterlage an. Es war eine Gewohnheit aus der Zeit, als er noch bei Rydberg in die Lehre gegangen war. Kamen sie an einen Tatort, wo es einen Schreibtisch gab, fing Rydberg immer damit an. In der Regel fand er nichts. Aber er hatte mit rätselhafter Betonung erklärt, auch eine leere Fläche sei eine wichtige Spur.
    Auf dem Tisch lagen ein paar Bleistifte, ein Vergrößerungsglas, eine Porzellanvase in Form eines Schwans, ein kleiner Stein und eine Schachtel Heftzwecken. Das war alles. Er drehte sich langsam mit dem Stuhl und sah sich im Zimmer um. An den Wänden hingen gerahmte Fotos von U-Booten und anderen Kriegsschiffen. Ein großes Farbfoto von Hans mit Studentenmütze. Hochzeitsfoto mit Håkan in Uniform. Er und Louise schreiten durch eine Ehrenpforte aus gekreuzten Schwertern. An einer Wand ein Gemälde. Wallander trat näher heran, um es genauer zu studieren. Es war eine romantische Darstellung der Seeschlacht bei Trafalgar. Der sterbende Nelson, an ein Geschütz gelehnt, umgeben von weinenden Seeleuten auf den Knien. Das Gemälde erstaunte ihn. Es war ein Machwerk in einer Wohnung, die von gutem Geschmack geprägt war. Warum hatte von Enke es aufgehängt? Wallander hob vorsichtig das Bild ab und drehte es um. Da stand nichts. Eine Schreibunterlage, unter der es leer war, die leere Rückseite eines schlechten Gemäldes. Es ist zu spät, das Zimmer durchzugehen, dachte er. Es ist bald halb neun, es würde viele Stunden dauern. Ich fange besser morgen früh an. Er verließ den Raum und ging zurück in eins der beiden Wohnzimmer, die hintereinanderlagen. Louise kam aus der Küche. Wallander ahnte einen Hauch von Alkohol, war aber nicht sicher. Sie verabredeten,dass er am nächsten Morgen um neun Uhr wiederkommen würde.
    Als Wallander im Flur die Jacke angezogen hatte, zögerte er plötzlich. »Du siehst müde aus«, sagte er. »Schläfst du genug?«
    »Vielleicht hin und wieder eine Stunde. Wie könnte ich schlafen, solange ich nicht weiß, was geschehen ist?«
    »Möchtest du, dass ich hierbleibe?«
    »Das ist nett gemeint, aber nicht nötig. Ich bin es gewohnt, allein zu sein. Vergiss nicht, dass ich eine Seemannsfrau bin.«
    Er ging den langen Weg zurück in sein Hotel und machte unterwegs Halt an einem italienischen Restaurant, das billig aussah. Das Essen war danach. Um nicht wach zu liegen, nahm er eine halbe Schlaftablette. Finster dachte er, dass dies eine der wenigen ihm verbliebenen Arten zu feiern war; den Schlaf anzulocken, indem er den Deckel der Pillendose öffnete.
     
    Der folgende Tag begann ebenso wie

Weitere Kostenlose Bücher