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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Gegen Ende der Anfangsszene meines Heerführers, in der Aufführung durch Mitglieder der Elite der thessalischen Jugend, kannte ich die Antwort: Es hätte ihm gut gefallen. Anfangs wußte ich allerdings nicht, wo ich hinsehen sollte. Ich war so peinlich berührt –
    zumal Theoros und Straton mit weitaufgerissenen Augen wie ein Paar Eulen dasaßen –, daß ich mir mit Vergnügen die Kehle durchgeschnitten hätte, wenn ich mir ein Rasiermesser hätte borgen können. Aber als die Darsteller immer häufiger ihre Verse vergaßen, und ich sie soufflieren mußte, fing ich allmählich an, mich prächtig zu unterhalten. Es war hilfreich, daß die gesamte Truppe, Chor wie Darsteller, nicht die leiseste Ahnung hatte, was auch nur eine einzige Zeile zu bedeuten hatte, und deshalb 374
    sämtliche Mitwirkenden ihren Text mit einer Art tragischer Tiefgründigkeit vortrugen. Sie hatten ihr Bestes versucht, aus alten Ziegenfellen und Faßdauben Trierenkostüme zu fertigen, doch die jungen Männer, die sie trugen, hatten keinen blassen Schimmer, was sie darstellen sollten, und offenbar hatte es auch niemand für angebracht gehalten, es ihnen zu verraten. Deshalb mußten sie angenommen haben, irgendwelche geheiligten Ornate darzustellen, und bewegten sich dementsprechend feierlich. Im Verlauf des Stücks erkannte ich genau, was mit ihm nicht stimmte, warum die Dialoge so flach und die Chöre bei den Zuschauern so gnadenlos durchgefallen waren. Es steckte ganz einfach von allem zuviel drin: der zwanzig Jahre währende Wunsch, ein Komödiendichter zu sein, in ein kleines Stück gestopft. Deshalb waren auch die Witze über sämtliche Köpfe hinausgeschossen; wie Xerxes’ Pfeile hatten sie die Sonne ausgelöscht. Was die Chöre anging, waren sie viel zu kompliziert, so daß selbst die Göttin Athena Schwierigkeiten gehabt hätte, ihnen beim ersten Hören zu folgen. Niedergeschrieben und mit Muße langsam gelesen, schien das Stück natürlich vor Geist zu sprühen. Auf der Bühne hingegen blieb davon nichts als ein bedeutungsloser Wortschwall übrig.
    Nachdem der Chor würdevoll von der Bühne geglitten war, lag deshalb aufrichtige Rührung in meiner Stimme, als ich mich bei den Prinzen bedankte.
    »Es war wirklich phantastisch«, freute ich mich unverhohlen. »Ihr wißt nicht, welche Freude ihr mir damit bereitet habt.«
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    Jason schien meine Reaktion etwas zu verblüffen – ich glaube, er hatte eine kleine Entschuldigungsrede vorbereitet –, aber Alexander strahlte übers ganze Gesicht und entgegnete, es sei ihnen eine Ehre gewesen. Woraufhin ich erwiderte, daß es ganz im Gegenteil eine Ehre für mich sei, und ich glaube, wir würden noch heute dort sitzen, wenn sich Jason nicht gelangweilt und vorgeschlagen hätte, etwas zu essen.
    Auf mein Essen hatte ich einen thessalischen Hunger, aber mein Kopf war wieder voll von Komödien. Als hätte mich ein Gott inspiriert, wollte ich nichts als mich irgendwo in Ruhe hinsetzen und mit dem Schreiben anzufangen. Es spielte keine Rolle, daß ich weder Handlung noch einen Stoff oder irgendwelche Charaktere hatte – das waren nichts als unwichtige Details. Eine wirkliche Rolle spielte nur die Tatsache, daß mir die Last des Heerführers von den Schultern genommen worden war. Und dann, als ob sich ein zweiter Gott zu dem ersten gesellt hätte, erinnerte ich mich daran, was mir Kleonymos während unserer Unterhaltung in Pallene gesagt hatte: Er könne mir einen Chor verschaffen, ich müsse nur wollen.
    Bitten Sie mich nicht, mich daran zu erinnern, wieviel wir am Ende für jeden Reiter wirklich bezahlt haben – es war irgend etwas um die vier Obolen pro Tag und ein Talent als Prämie, was nach unsere Rückkehr auch ohne allzu große Probleme von der Volksversammlung bewilligt wurde. Als nächstes erinnere ich mich daran, wie ich mit einer halben Anfangsszene im Kopf unter meinem Feigenbaum in Pallene saß, verzweifelt nach einem Namen suchte und 376
    jemand auf den Feldern jenseits des Hauses den Namen meines Verwalters rief, der Marikas hieß. Nicht lange darauf brachte ich drei Rollen ägyptisches Papyros zum Archon und bekam einen Chor bewilligt.
    Marikas erhielt auf den Städtischen Dionysien in dem Jahr den ersten Preis, in dem Ameipsias mit seinen Weinschläuchen zweiter wurde. Aristophanes belegte mit seinem Stück Die beiden Brüder den dritten Platz.
    Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, mit Marikas den ersten Preis zu gewinnen, und mir deshalb keinen geeigneten Ort zum Abhalten

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