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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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gebrannt hatte.
    »Kallikrates! Komm mal rüber, und sieh dir das an!« rief ich meinem Vetter zu.
    »Ach, jetzt trödle nicht so rum, Eupolis!« schimpfte mein Vetter. »Für heute reicht’s mir mit dir.«
    »Da hinten steigt aber Rauch auf. Was könnte das deiner Meinung nach sein?«
    Kallikrates folgte meinem Finger mit den Augen und riß erschrocken den Mund auf. »Da drüben liegt ein kleiner Hof«, flüsterte er schließlich. »Ich bin da früher schon mal gewesen. So ein kleineres Gehöft ist das. Gehört einem Mann namens Thrasydemos.«
    Eine Zeitlang blickten wir uns beide entsetzt an. Was mich betrifft, gebe ich gern zu, daß ich damals solch schreckliche Angst hatte wie nie zuvor in meinem Leben.
    Aus weiter Ferne konnte ich den Klang von Flöten hören, und wie jedermann weiß, ziehen die Spartaner mit Flötenmusik in den Krieg. Entweder handelte es sich also 135
    darum oder um den Gott Pan; und ich käme in arge Bedrängnis, wenn ich mich entscheiden müßte, wem von beiden ich weniger gern begegnen würde.
    »Laß uns nach Hause gehen«, drängte ich plötzlich.
    »Mir gefällt’s hier nicht mehr.«
    Kallikrates nickte und antwortete: »Einverstanden. Du läufst schnell nach Hause. Geh immer schön geduckt und paß auf, daß man dich möglichst auch nicht aus der Ferne sehen kann. Lauf direkt zum Dorf. Wie ich die Spartaner kenne, bist du da bis zum Mittag in Sicherheit.«
    »Und was willst du tun?« fragte ich, wobei mir vor Angst bereits die Knie schlotterten. »Ich gehe nicht allein zurück.«
    »Sei doch nicht albern«, ermahnte mich Kallikrates.
    »Solange du vorsichtig bist, passiert dir nichts.«
    »Das kannst du vergessen!« protestierte ich. »Ich komme mit dir.«
    Kallikrates überlegte kurz und nickte dann. »Vielleicht ist das sogar besser so. Auf diese Weise kann ich dich wenigstens im Auge behalten. Aber ich muß mir unbedingt den Hof dahinten ansehen.«
    »Und warum? Du kannst doch nicht allein gegen ein ganzes Heer Spartaner kämpfen.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Kallikrates gereizt. »Aber vielleicht sind da unten Menschen, die Hilfe brauchen.«
    »Ach, du meine Güte! Und was ist mir? Ich will nach Hause.«
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    Kallikrates wurde jetzt wirklich böse. »Dann hau doch endlich ab!« schnauzte er mich an. »Ich halte dich nicht auf. Nachdem du uns diese Suppe eingebrockt hast, solltest du lieber verschwinden, bevor du noch mehr Unheil anrichtest!«
    Wir wußten beide, daß ich in diesem Augenblick nirgendwohin allein hingehen würde, da ich viel zuviel Angst hatte und Kallikrates viel zu pflichtbewußt war. Also nickte ich betrübt und folgte ihm mürrisch.
    Je näher wir dem Brandherd kamen, desto deutlicher lag auf der Hand, daß irgendein Gebäude in Flammen stand.
    Ich glaube, wir hatten beide insgeheim gehofft, es würde nur ein Kornfeld oder irgendein Schober brennen, aber der dunkle Qualm ließ darauf schließen, das der Rauch aus lodernden Reetdächern aufstieg. Schließlich gelangten wir an den Rand eines steil abfallenden Bergkamms, und Kallikrates bückte sich rasch, um von unten nicht gesehen zu werden. Ich folgte seinem Beispiel, und gemeinsam spähten wir über den Rand.
    Unter uns lag eins dieser kleinen Gehöfte, auf die man damals vereinzelt in den abgelegeneren Gebieten Attikas traf, bevor sie nach dem Krieg endgültig aufgegeben wurden. Es bestand aus einem reetgedeckten langen Haus und einem hohen Getreidesilo, beides umgeben von einem durch Mauern abgegrenzten Hof. Von unserem Beobachtungsposten aus sahen wir, daß das gesamte Gehöft in Flammen stand und sich auf dem Hof zahlreiche Männer mit roten Umhängen befanden, die das Schauspiel anscheinend genossen.
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    »Glaubst du, daß die Bewohner entkommen konnten?«
    flüsterte ich ängstlich.
    »Das hoffe ich jedenfalls«, antwortete Kallikrates.
    »Aber da wir sie nirgendwo den Berg hinauflaufen sahen, glaube ich nicht, daß sie da unten noch irgendwo anders hin fliehen konnten. Schließlich ist dieser Hof nicht als Beobachtungsposten gebaut worden, sondern als landwirtschaftlicher Betrieb.«
    Im selben Augenblick sah ich, wie zwei der roten Umhänge aus einem Seitengebäude traten, das bislang noch nicht in Brand gesteckt worden war, und eine alte Frau und einen alten Mann auf den Hof schleiften, die sie an der Backsteinmauer des Brunnens auf die Knie stießen.
    Ein dritter roter Umhang näherte sich den beiden Gefangenen und schien sie zu inspizieren. Dann griff er nach einer Axt, die neben einem zum

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