Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
nicht glauben. Als ich die Leiche des Bauern betrachtete, sah ich etwas unter einem kleinen Feigenbaum glitzern und machte mich sofort daran, die Sache genauer zu untersuchen. Es handelte sich um einen kleinen Krug voller Silbermünzen, den jemand zerbrochen hatte. Ich wunderte mich, warum die Spartaner das Geld nicht mitgenommen hatten, aber dann fiel mir ein, daß sie als Zahlungsmittel keine Silbermünzen, sondern wie Bratspieße geformte Eisenbarren benutzen, so daß sie mit dem Silber natürlich gar nichts hätten anfangen können.
    Wahrscheinlich hatte einer der Spartaner den Krug gefunden und war vom Hauptmann gezwungen worden, ihn wegzuwerfen, wie es schon zuvor mit dem Huhn geschehen war. Obendrein sind die Spartaner äußerst ehrenwerte Menschen und halten nicht viel von Plünderungen.
    »Also komm, hier können wir sowieso nichts mehr tun«, sagte Kallikrates. »Wie sollten lieber ins Dorf zurückgehen und uns darum kümmern, daß die Bewohner wissen, was hier los ist.«
    141
    Ich war heilfroh, von diesem Ort zu verschwinden, und wir machten uns hurtig davon. Natürlich konnten wir nicht über die Straße zurückgehen, weil das in einem Fiasko geendet hätte, und deshalb schlugen wir uns direkt unterhalb der Hügelkette durch, wo wir zwar selbst sehen, aber – mit etwas Glück – nicht gesehen werden konnten.
    Nach etwa einer halben Stunde kamen wir über die Bergspitze und folgten dem schmalen Ziegenpfad, den Kallikrates von früher her kannte und der uns nach seiner Schätzung ein paar hundert Meter vom Dorf entfernt an den Fuß des Kithairon führen würde. Auf diese Weise hätten wir die Spartaner bequem überholen und noch rechtzeitig im Dorf ankommen müssen, um Alarm schlagen zu können, falls das nicht bereits geschehen war.
    Auf unserer Wanderung sahen wir unter uns aus einer geschützten engen Talmulde eine weitere Rauchsäule aufsteigen, doch diesmal versuchten wir erst gar nicht, uns einzumischen.
    »Kallikrates, machen die Spartaner eigentlich immer solche Sachen?« fragte ich meinen Vetter. »Bisher habe ich noch nie etwas davon gehört.«
    »Das machen die erst seit etwa einem Jahr so, und zwar genau seit dem Zeitpunkt, als wir damals nach der Invasion in Messenien damit angefangen haben.«
    Ich war entsetzt. »Du meinst, wir haben damit angefangen? Dann sind wir im Unrecht.«
    »Wie meinst du das: im Unrecht?« fragte mein Vetter zurück. »Wir sind im Krieg, da passiert so etwas nun einmal. Allerdings auch nur, wenn die Leute so dumm 142
    sind, sich beim Anrücken des Feindes nicht zu verkriechen.«
    Ich konnte gar nicht glauben, was ich da hörte. »Willst du etwa damit sagen, daß die Leute auf dem Hof an ihrem Tod selbst schuld sind?« fragte ich.
    Kallikrates blieb stehen und blickte mich an. »Kapierst du eigentlich überhaupt nichts? Niemand ist schuld, aber so ist nun mal der Lauf der Welt. Warum muß eigentlich an allem andauernd irgend jemand schuld haben?«
    Eigentlich hätte ich ihm gern widersprochen, aber auf einmal fiel mir keine Antwort mehr ein – für einen Athener ein höchst ungewöhnlicher Zustand, unter welchen Umständen auch immer. Kallikrates ging jetzt immer schneller, und er hatte sehr viel längere Beine als ich.
    Unser Marsch schien einfach nicht enden zu wollen. Je näher wir dem Dorf kamen, desto größer wurde meine Angst. Ich machte mich selbst verrückt, indem ich ununterbrochen Ausschau nach weiteren Rauchsäulen am Horizont hielt, aber wir entdeckten beide nichts.
    Kallikrates’ Stimmung schien sich sogar zusehends zu verbessern, da er hoffte, den Spartanern zuvorkommen zu können.
    »Ich vermute, daß wir eben nur einen Stoßtrupp gesehen haben«, sagte er. »Wenn es die Spartaner mit dem ganzen Dorf aufnehmen wollen, werden sie ihre Truppen zusammenziehen und den Ort einkreisen. Schließlich wollen die sich das Leben nicht unbedingt schwerer machen als nötig. Ich nehme an, die haben den ganzen Kram genauso satt wie wir und wollen bestimmt nicht ihr 143
    Leben aufs Spiel setzen, indem sie ohne ausreichende Truppenstärke eine bewohnte Ortschaft einzunehmen versuchen. Die sind doch einzig und allein daran interessiert, so viel Schaden an Ernte und Viehbestand anzurichten, wie sie nur können, und deshalb werden sie den Einwohnern der größeren Orte auch jede Menge Zeit zur Flucht zugestehen.«
    »Danach hat es vorhin aber nicht ausgesehen«, widersprach ich ihm, allerdings eher aus grundsätzlicher Streitlust als aus irgendeinem anderen Grund. Ich

Weitere Kostenlose Bücher