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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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diesen ungewöhnlichen Menschen kennen, als ich in Phyle zum erstenmal eigene Oliven erntete; er war einer dieser umherziehenden Tagelöhner, die stets auf der Suche nach Arbeit waren. Vielleicht überrascht es Sie, daß der Abkömmling eines solch edlen Geschlechts gezwungen war, für einen anderen Mann zu arbeiten, da das (abgesehen von echter Sklaverei) die schlimmste Erniedrigung ist, die einem menschlichen Wesen widerfahren kann. Man denke nur an Achilles’ Worte in der Odyssee, als er dem Ruhm entsagt: Lieber möcht’ ich fürwahr dem unbegüterten Meier, Der nur kümmerlich lebt, als Tagelöhner das Feld bau’n, Als die ganze Schar vermoderter Toten beherrschen.
    Doch der kleine Zeus war Opfer eines jener Familien-unglücke geworden, die auch die achtbarsten Häuser 168
    zugrunde richten können. Sein Vater hatte sieben Kinder gehabt, allesamt Söhne, von denen keiner im Kindesalter gestorben war.
    Diogenes hatte alles getan, was in seiner Macht stand, um diesen beachtlichen Kinderreichtum zu verringern. So hatte er seine Söhne dazu erzogen, Gefallen an Wildschweinjagd, Pferderennen und anderen aristokrati-schen, aber gefährlichen Sportarten zu finden. Da sie jedoch alle ein natürliches Talent bewiesen, überlebten sie samt und sonders. Noch in ihrer frühesten Jugend wies Diogenes sie an, die Schafe auf ständig von Wölfen heimgesuchten Berghängen zu bewachen; aber seine Söhne töteten sämtliche Wölfe mit ihren Steinschleudern und wurden Helden. Schließlich zog Diogenes während der Pest ins Zentrum des Kerameikos; doch das einzige Familienmitglied, das starb, war Diogenes selbst.
    Das hatte zur Folge, daß seine fast siebzig Morgen Weinland, die genügend Ertrag lieferten, um ihm die Zugehörigkeit zur Steuerklasse der Reiterei zu sichern, in sieben Grundstücke von knapp zehn Morgen aufgeteilt wurden, eins für jeden Sohn. Das wäre schon schlimm genug gewesen, aber da sich die Spartaner gerade in jenem Jahr entschlossen hatten, Acharnai zu verwüsten, entfielen auf die sieben Erben des Nachkommens von Zeus letztendlich nichts als herausgerissene Weinstöcke und zerstörte Spaliere.
    Die Söhne finanzierten Diogenes’ Begräbnis, indem sie seine Soldatenausrüstung verkauften, meldeten sich zum Dienst als Ruderer und machten sich daran, sich den Lebensunterhalt so gut wie möglich zu verdienen. Sechs 169
    der Brüder blieben in der Stadt und wurden bald nebenberuflich zu Richtern, waren also gesetzestreue Mitglieder der Gruppe, die wir die ›Klasse der drei Obolen‹
    zu nennen pflegten. Der kleine Zeus hingegen (der nebenbei der größte und schwerste Mann war, der mir je begegnet ist) hielt solch ein Leben für den Nachfahren einer Familie, die schon vor den Zeiten von Theseus’
    Geburt in Athen gelebt hatte, für zu erniedrigend. Deshalb verdingte er sich als Lohnarbeiter und hoffte, genügend Geld zu sparen, um sich nach dem Krieg Weinrebenableger kaufen und seine zehn Morgen neu bepflanzen zu können.
    Diese tragische Geschichte erzählte er mir während der Olivenernte – ich saß oben im Baum und schüttelte die Früchte mit einem Stock herab, während der kleine Zeus darunter stand und sie in einem Korb auffing –, und ich schäme mich nicht einzugestehen, daß mir die Tränen kamen (natürlich vor Lachen). Da sein Land aber eine kurze gemeinsame Grenze mit einem Grundstück hatte, das Philodemos gehörte, dem Bruder meiner Mutter, war er de facto ein Nachbar, und weil ich jung und ganz erfüllt von meinem neuen Status als Reiter war, beschloß ich, ihm unter die Arme zu greifen.
    Während ich vom Ölbaum wie Prometheus der Erlöser vom Himmel hinabstieg, sagte ich: »Deine Schwierigkeiten haben ein Ende, kleiner Zeus. Ich werde dein Land als Geschenk für meinen Onkel kaufen, und mit dem Geld kannst du dich als Kaufmann oder Handwerker niederlassen. Das ist ein besseres Leben als das eines Tagelöhners.«
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    Aber der kleine Zeus schüttelte energisch den Kopf.
    »Das würde mir nicht mal im Traum einfallen«, antwortete er. »Das ist unser Land. Dort haben wir schon gelebt, bevor die Dorier kamen, und meine Vorfahren sind dort begraben. Willst du, daß mich die Erinnyen jagen?«
    Über diese Antwort war ich sehr erstaunt. »Wie du meinst«, entgegnete ich. »Dann werde ich mit dir eine Beteiligungsvereinbarung treffen. Ich bepflanze dir dein Land und erhalte dafür von dir so lange ein Sechstel deines Ertrags, bis du die Schuld bezahlt hast.«
    Der kleine Zeus schüttelte erneut

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