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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Sklaven sitzen also da und ziehen über die häuslichen Probleme bekannter Staatsmänner her, wobei das Getöse im Haus immer lauter und unerklärlicher wird. Die Kunst dabei ist natürlich, genau zu wissen, wie lange man dieses Spannungsmoment aufrechterhalten kann, ohne dem Publikum zu verraten, 161
    daß man nur besonders raffiniert vorgehen will (was verhängnisvoll wäre). Schließlich erblickt einer der Sklaven aus den Augenwinkeln heraus die Zuschauer und läßt sich schließlich dazu herab, sie in das Geheimnis einzuweihen.
    Ihr gemeinsamer Herr, sagt er (wie unzählige Sklaven in Komödien vor ihm), sei verrückt. Voll und ganz verrückt.
    In welcher Hinsicht verrückt? Nun, dem Herrn sei dieser verrückte Einfall gekommen, den Krieg mit einem Schlag zu beenden und die Menschen bis in alle Ewigkeiten zu versorgen, ganz zu schweigen von seiner Absicht, sich selbst zum Truppenführer auf Lebenszeit zu ernennen. Er habe vor, die Flotte zu nehmen und auf den Olymp hinaufzusegeln, um sich die Götter zu Verbündeten zu machen. Da die Flotte Athens nie besiegt worden sei und, wie ein Orakel erst kürzlich verkündet habe, auch nie besiegt werde, könnten ihn nicht einmal die Götter selbst aufhalten. Auf dem Olymp angelangt, werde er Zeus Blitz und Donner abnehmen, dann Sparta dem Erdboden gleichmachen, den persischen Großkönig auslöschen und schließlich mit sich als König des Himmels und mit sämtlichen Bürgern Athens sein neues Pantheon errichten.
    Nun folgt ein knapper Exkurs darüber, welche bekannten Gestalten des derzeitigen öffentlichen Lebens welche Gottheiten ersetzen werden. Das war seinerzeit wahrscheinlich sehr komisch, würde Ihnen jedoch nach all den Jahren praktisch gar nichts und mir selbst auch nur noch sehr wenig sagen.
    Das einzige Problem sei, fährt der Sklave fort, daß der Olymp ein ganzes Stück landeinwärts liege. Das habe 162
    seinem Herrn zwar ein Weilchen Kopfzerbrechen bereitet, aber dann sei ihm eine Lösung eingefallen. Er werde an sämtlichen Schiffen kleine Räder, wie an der Bühne im Theater, anbringen lassen, um sie über das Festland ziehen zu lassen.
    Das ist natürlich noch keine Erklärung für die komischen Geräusche hinter den Kulissen, die ganz und gar nicht nach Hämmern und dem Beschlagen mit Rädern klingen. »Na ja«, sagt der Sklave, »wir dachten, das könnten Sie sich bestimmt selbst denken, da Sie doch Athener sind und immer über alles so gut Bescheid wissen.
    Sie können sich also keinen Reim darauf machen?
    Wirklich nicht? Na, dann sehen Sie lieber selbst!«
    Nun schwenken die Kulissenschieber die Bühne mitsamt dem darauf aufgebauten Haus zur Seite, damit die Zuschauer das Geschehen im jetzt sichtbaren Innenraum verfolgen können. Dort erblicken wir den Helden –
    ursprünglich Perikles, letzten Endes aber, nach vielen Änderungen, Kleon –, der gerade von zwei mit Riesenmessern bewaffneten Zauberern wie Schinkenspeck aufgeschlitzt wird. Die beiden Zauberer verkörpern die zwei führenden Rhetoriklehrer der Stadt – leider kann ich mich nicht mehr an ihre Namen erinnern –, die Kleon nun in Stücke hacken und in einer Gerbbrühe kochen, so wie einst Medeia König Aigeus zerhackte und kochte, um ihn zu verjüngen. Doch der Zweck dieses Experiments ist keineswegs Kleons Verjüngung, sondern vielmehr der Versuch, ihn von einem ehrbaren Mann in einen Politiker zu verwandeln, der einen Antrag in der Versammlung durchzubringen versteht. Bestimmt können Sie sich 163
    ausmalen, wie diese Szene ausgesehen hat, bei zwei Zauberern, die sich über Ausdrucksweisen und Redewendungen hermachen wie über Kräuter und Zaubertränke, bis sie Kleon schließlich gründlich damit durchgegerbt haben.
    Wenn sie damit fertig sind und die Zauberworte Drei Obolen pro Tag auf Lebenszeit gesprochen haben, springt Kleon mit der groteskesten Politikermaske aller Zeiten aus der Brühe heraus und beschuldigt die beiden Zauberer der Verschwörung gegen die Demokratie, weil sie ihm dabei geholfen hätten, erfolgreich die Eroberung des Himmels zu rechtfertigen. Dann stapft Kleon in Richtung Pnyx davon, und es folgt die große Debattenszene mit seiner Rede.
    Bisher ist der Chor immer noch nicht aufgetreten, auch die Wähler in der Volksversammlung haben kein einziges Wort gesagt, weil sie nur von den Bühnenarbeitern ohne Masken dargestellt werden. Kaum wird sein Antrag angenommen, klatscht Kleon in die Hände, und die Flotte kommt heraus, komplett mit kleinen Rädern, wie

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