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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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machen, war selbst in der Stadt nicht zu bremsen.
    Wann immer er sich in Gesellschaft befand oder Wein getrunken wurde, sang er die Hymne auf Harmodios, bis die Wände wackelten; zwar hatte er eine schöne Stimme, aber leider war sie viel zu laut. Wie es sich für einen Edelmann gehört, kannte er sämtliche adligen Dichter auswendig – Theognis und Archilochos sowie jedes Wort, das Pindar jemals geschrieben hat –, was mir eine große Hilfe war, wenn ich ein Zitat brauchte, um es in einem Stück zu parodieren. Seine größte künstlerische Leistung jedoch beruhte auf seiner Fähigkeit, eine Einmannvorstellung von Aischylos’ Persern zu geben.
    Sein Urgroßvater hatte in Marathon mit dem großen Tragiker im gleichen Glied der Phalanx gekämpft, so daß die Komödie praktisch Familienbesitz war. Zuerst verkörperte der kleine Zeus den Chor persischer Adliger –
    unterbrochen von gelegentlichen Einwürfen wie, »Dies ist die authentische Trauerpose des persischen Adels, die hat mein Urgroßvater in der Schlacht gesehen« –, dann spielte er die Rollen aller Schauspieler, wobei er sich immer wieder umdrehte, um in den Dialogen einen Wechsel des Sprechers anzudeuten. Bei den weiblichen Gestalten hob er die Stimme zu einem Piepsen an, bis sich seine Zuschauer ihre Chitons in den Mund stopfen mußten, um nicht laut 174
    loszulachen. Einmal war mein lieber Kallikrates zu langsam, und ihm rutschte ein kurzes Kichern heraus, woraufhin der kleine Zeus mitten im Vers abbrach und sich erbost umsah, um festzustellen, wer einen Witz gerissen hatte.
    Als ich mich in der Gesellschaft der Reiterklasse zu bewegen begann, war der kleine Zeus im großen und ganzen ein Gewinn für mich. Ich hatte mich nämlich in sehr kurzer Zeit über die Freunde von Kallikrates und Philodemos, die Fußsoldaten waren, hinausentwickelt und wollte die Männer, die ich in meiner Komödie beschimpfte, unbedingt persönlich kennenlernen; Politiker wie Kleon und Hyperbolos und deren Anhänger Theoros und Kleonymos; die Tragiker Agathon und Euripides sowie die bösen und verdorbenen Wissenschaftler, Männer wie Sokrates und Chairephon, wobei letzterer im Ruf stand, ein Blutsauger zu sein.
    Natürlich kannte ich all diese Menschen schon vom Sehen und hatte sie auch mit Namen auf dem Fischmarkt oder in den Propyläen gegrüßt, aber das war nicht das gleiche, wie mit ihnen aus demselben Becher zu trinken oder gemeinsam zu singen. Wenn ein Komödiendichter einen lebenden Zeitgenossen auf die Bühne bringt, ist es für ihn unbedingt erforderlich, die Ausdrucksweise des Betreffenden exakt wiederzugeben und in der Lage zu sein, den Darstellern die jeweils typische Geste des Vorbilds genau beizubringen. Diesbezüglich kann die eingehende Beobachtung durch nichts ersetzt werden; Kleon schreien oder Alkibiades lispeln lassen kann jeder, aber was das Publikum zum Lachen bringt, ist die Art, wie sich Kleon 175
    jedesmal mit der Hand den Staub wegwischt, bevor er sich hinsetzt, und Alkibiades’ Angewohnheit, elegant nach hinten über die Schulter zu niesen.
    An das erste Fest von wirklich hohem Ansehen, das ich besuchte, erinnere ich mich noch, als wäre es gestern gewesen. Es wurde von Aristophanes zur Feier seines Siegs mit dem Stück Die Acharner veranstaltet – eine wirklich furchtbare Komödie, die Sie sich durchaus schenken sollten, falls Sie in einer dieser Mischungen aus Theater und Rinderpferch in den entlegenen Gegenden Attikas auf eine Wiederaufnahme dieses Stücks stoßen, wo immer noch ab und zu alte Stücke für Leute inszeniert werden, die nicht in die Stadt kommen können. Jedenfalls war ich mir damals durchaus nicht im klaren, ob ich dort hingehen sollte oder nicht, weil ich an meine früheren Begegnungen mit diesem Ehrenmann denken mußte. Als allerdings an jenem Morgen ein Dienstbote an unserer Haustür erschien und die Nachricht überbrachte, Eupolis von Pallene möge sich bei Einbruch der Dunkelheit zum Haus von Aristophanes, Sohn des Philippos, begeben und etwas zu essen mitbringen, konnte ich dieser Einladung nicht widerstehen – erst recht nicht, als ich hörte, wen der Dienstbote sonst noch zum Fest einladen sollte.
    »Ich habe bereits bei Theoros vorgesprochen, und er hat zugesagt«, berichtete der Dienstbote. »Ich bin auch bei Sokrates, dem Wissenschaftler, gewesen, und auch er hat versprochen zu kommen. Als nächstes schaue ich bei Euripides, dem Dichter, vorbei, der bestimmt an der Feier teilnimmt, nach dem, was ihn mein Herr in der

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