Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
Komödie sagen läßt, und Kleisthenes der Abartige wird die 176
Einladung wahrscheinlich annehmen, weil er gern in Theaterstücken vorkommt und in die nächste Komödie eingebaut werden will.«
»Und warum werde ich eingeladen?« fragte ich und fügte hinzu, während ich einen Becher Wein einschenkte:
»Na, komm schon, mir kannst du das sagen.«
»Mein Herr hat mir nur aufgetragen, dich einzuladen, also habe ich seine Anordnung befolgt. Auf dein Wohl«, antwortete der Dienstbote und trank schnell den Becher aus. »Aber jetzt muß ich weiter.«
Also machte ich mich an diesem Abend mit Kallikrates und dem kleinen Zeus als Beistand auf den Weg zu Aristophanes’ Haus. Ich nahm zwei herrliche Seebarsche in einer kräftigen Sahnesoße mit, einen Korb Weizenbrot und zwölf Bratdrosseln, die der kleine Zeus am vorhergehenden Tag eingefangen hatte. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was uns erwartete, und das Herz schlug mir vor Aufregung bis zum Hals.
Den Gesang konnte man die halbe Straße hinunter hören:
Wir rufen unsre Muse an
Die schöne Göttin Anthrazit
Die Glut facht unsre Seelen an
Die Hitze schürt den Appetit
Das war natürlich die Anrufung der Musen aus den Acharnern, und die laute und ziemlich unmelodische 177
Stimme, die den Gesang anführte, war unverkennbar die des Dichters selbst, den ich damals die Hymne auf Harmodios in der Serenadenbande hatte singen hören.
Eines Tages, ging es mir durch den Kopf, wird man zur Feier eines Erfolgs etwas von mir singen, und der kleine Zeus wird den Text dann so laut hinausschreien, daß man ihn noch in Korinth hört. Ich biß die Zähne so fest zusammen wie möglich und hämmerte mit meinem Stock an die Tür, hinter der unverdrossen weitergesungen wurde.
Erhitz den Rost und brat den Fisch,
Mach die Sardinen knusprig braun,
(knusprig BRAUN!)
Komm, Anthrazit, deck unsren Tisch
Wir feiern bis zum Morgengrau’n!
»Rührend«, murmelte ich vor mich hin, und der Dienstbote öffnete die Tür.
»Du kommst zu spät, deshalb hat man ohne dich angefangen!« rief er mir zu, um sich gegen den Lärm durchzusetzen. »Weißt du denn nicht, wie man sich in guter Gesellschaft zu benehmen hat?«
Das machte mir nicht gerade Mut, doch Kallikrates grinste zu uns herüber, und wir traten ein, um mitzufeiern.
Lassen Sie mich zunächst das Haus beschreiben. Es war überaus luxuriös eingerichtet, mit Wandbehängen, die offensichtlich aus dem Theater abgestaubt worden waren, denn ich erkannte die Hausfront von Chremylos aus den 178
Schmausbrüdern und die Tretmühle aus den Babyloniern wieder. Der Fußboden war frisch bestreut, für jeden Gast waren Liegen und Stühle vorhanden – noch nie hatte ich so viele Stühle auf einem Haufen gesehen –, und das Mischgefäß für den Wein bestand nicht aus Steingut, sondern aus Bronze. Sämtliche Vorratskrüge waren bemalt, die geräucherte Speckseite hing an einer Messingkette über der Feuerstelle, und die Kleidertruhe war aus mit reichen Schnitzereien verziertem Zedernholz gefertigt, das mit ziemlicher Sicherheit importiert worden war. Oben in den Dachsparren erkannte ich Aristophanes’ Schild; auf dem Rand waren Figuren in Relief ausgearbeitet, und auf der Vorderseite, auf die normalerweise eine Gorgone gemalt ist, um den Feind in Angst und Schrecken zu versetzen, prangte ein groteskes Porträt von Kleon, der mitten in einem brausenden Wortschwall den Mund weit aufgerissen hatte. Der Schild wies außerdem keinerlei Spuren von Beschädigungen auf, ein Beweis, wie intensiv der furchtlose junge Dichter tatsächlich als Soldat gedient hatte. Der Rest seiner Ausrüstung hing über einer altmodischen Hermesstatue in der Ecke des Raums, von deren aufgerichtetem Phallos ein Schwertgehenk baumelte und um deren Stirn unter dem (so gut wie nie getragenen) Helm drei Siegerkränze gewunden waren.
Wenn dieses Haus Philodemos’ Heim bereits zu einer armseligen Hütte degradierte, so bekam ich bei der anwesenden Gesellschaft erst recht das Gefühl, mein bisheriges Leben unter Stallknechten und Fischhändlern verbracht zu haben. So waren nicht nur alle Gäste erschienen, von denen man mir berichtet hatte, sondern 179
zusätzlich Philonides, der beste Chorleiter Athens; Moschos, der Flötenspieler (der, man glaubt es kaum, eigens zur Unterhaltung der Gäste verpflichtet worden war); und neben dem Gastgeber lag mit ausgesprochen gelangweiltem Blick der berühmtberüchtigtste Mann von ganz Athen, nämlich Alkibiades.
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