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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Rammsporne geformten Kopfbedeckungen und kleinen Ruderreihen anstelle der Ärmel.
    Das Ganze läuft dann darauf hinaus, daß sich die Flotte zum Olymp aufmacht und die Götter belagert, genau wie wir damals die Menschen auf Samos belagert haben, bis sie sich ergaben und als Sklaven an die Barbaren verkauft wurden. Zeus wird beispielsweise an einen Ägypter verschachert, der ihn zum Regenmachen haben will, Aphrodite wird von einem syrischen Zuhälter erworben, während der berühmte Dichter Euripides erscheint, um ein paar der seltsamen metaphysischen Auffassungen zu 164
    erstehen, die er immer wieder in seine Tragödien einstreut, die aber natürlich nirgendwo außerhalb seines verhärmten Hirns existieren. Schließlich legt er sich Hermes zu, da ihm dieser als Gott der Diebe und der Toten dabei behilflich sein kann, noch mehr Ideen von seinen Vorgängern auf dem Gebiet der tragischen Dichtung zu stehlen. Das Stück endet damit, daß Kleon auf Zeus’ Thron Platz nimmt, während die Flotte weggerollt wird, um aufgelöst und gegen Feuerholz an die Spartaner (die Kleon schon die ganze Zeit in der Tasche hatten) verkauft zu werden.
    Aus dieser kurzen Inhaltsangabe wird ersichtlich, daß es sich bei meiner Komödie eher um ein Dialogais um ein Chorstück handelt, und das entspricht auch ganz meiner persönlichen Vorliebe. Trotzdem war ich besonders mit der Ansprache an das Publikum zufrieden, zu der der Chorführer die Maske abnimmt, an die Bühnenrampe tritt und sich direkt an die Zuschauer wendet, als wäre er der Autor. In der Rede bat ich die Bürger Athens, die Feldzüge in Sizilien (um die sich, wie Sie bereits erraten haben werden, die ganze Komödie dreht) nicht außer Kontrolle geraten zu lassen. Sie seien nichts anderes als Staatspiraterie, und selbst wenn man per se nichts an ihnen aussetzen könne, sei es pure Dummheit, so ein ehrgeiziges Projekt zu beginnen, bevor man die Spartaner nicht dauerhaft in ihre Schranken verwiesen habe. Wenn Sparta erst mal ein Trümmerhaufen sei, ließ ich vom Chorführer verkünden, würden wir noch genug Zeit zur Eroberung des Universums haben; doch bis dahin sollten wir mit der momentan anstehenden Aufgabe fortfahren. Ich erinnerte sie alle an das gewaltige Fiasko zur Zeit des berühmten 165
    Kimon, als wir unser gesamtes Heer und die ganze Flotte auf Vergnügungsfahrt in die Nähe von Ägypten aussandten, anstatt uns in Ionien unseren Vorteil gegenüber den Persern zu sichern, woraufhin prompt die meisten unserer Leute in den Sümpfen vernichtet wurden. Sollte so etwas zum gegenwärtigen Zeitpunkt passieren, ließ ich weiter verlauten, dürften wir fast zwangsläufig den Krieg und somit unser Reich verlieren, und die Spartaner würden die Langen Mauern zwischen Stadt und Hafen einreißen und uns ein ungeschütztes Athen hinterlassen.
    Als ich (weil ich noch jung und naiv war) die Komödie Kratinos zeigte, reagierte er recht mürrisch und übellaunig, was bedeutete, daß er das Stück gut fand. Glauben Sie niemals der allgemein vorherrschenden Meinung, daß wirklich große Dichter jederzeit bereit seien, begabte junge Talente zu fördern. Je besser ein Dichter ist, desto paranoider ist seine Angst vor Konkurrenten. Trotzdem bedrängte ich Kratinos, irgendeinen Kommentar zu meinem Stück abzugeben, und schließlich räumte er ein, daß ich bei den Dionysien durchaus die Chance auf einen zweiten Platz haben könnte – jedenfalls in einem schlechten Jahr, falls alle anderen Teilnehmer ausschließlich Farcen aufführen würden.
    »Aber bring um Himmels willen bloß diese Parabase in Ordnung!« ermahnte er mich. »Dieser ganze sizilianische Kram ist nichts weiter als ein Haufen Mist. Wenn du von einer Sache abrätst, dann mach etwas daraus, das aller Wahrscheinlichkeit nach als Antrag in der Volksversammlung gestellt wird, sonst vergeudest du nur 166
    deine Zeit. Kein normaler Mensch zöge jemals ernsthaft in Erwägung, Sizilien zu erobern.«
    Ich glaube, die Götter müssen eine Abneigung gegen vernünftige Menschen haben.
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    6. KAPITEL
    rinnern Sie sich noch an Diogenes, Nachkomme von E Zeus und Sohn des Skythen, der eine Affäre mit Myrrhine hatte, der Frau des frommen Euergetes? Nun, Diogenes’ ältester Sohn hieß Diogenides (›Sohn des Nachkommen von Zeus‹) und war am selben Tag im gleichen Jahr wie ich zur Welt gekommen. Natürlich kannte jedermann die wahre Geschichte über seine Abstammung, und deshalb erhielt er den Spitznamen ›der kleine Zeus‹.
    Ich lernte

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