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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Ich stand auf und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. »Holt sofort diesen Trottel von Neffen hierher!«
    brüllte Philodemos. »Ich wünschte bei Zeus, ich wäre heute morgen im Bett geblieben.«
    Der Gestank brennenden Harzes von den Fackeln drehte mir den Magen um, und ich wollte irgend jemanden schlagen, aber alles zu seiner Zeit und am rechten Ort. Also taumelte ich zur Vordertür und bemühte mich verzweifelt, ein Lächeln aufzusetzen. Irgendwie klappte das nicht. Ich glaube, die Zähne waren mir im Weg.
    Mit solch einem Hymenaios-Lied
    Geleiteten Moiren kokett
    208
    Den Herrscher der Himmel, im Zenit,
    Den König der Götter, zum Bett
    Von Hera, der prächtigen Braut…
    Ich hatte sie ausdrücklich darum gebeten, gerade diese bestimmte Hochzeitsode nicht zu singen, aber möglicherweise war das die einzige, die sie kannten.
    Ein bißchen was Melodisches, mußten sie sich gesagt haben, bei dem jeder mitsingen kann…
    Und Eros mit Schwingen aus Gold
    Kam herab zur Stätte des Heus,
    Weil er sich gerne anschau’n wollt’
    die Hochzeit von Hera und Zeus…
    Die war, wie Ihnen jedes Kind bestätigen kann, nicht gerade von Erfolg gekrönt, da sich Zeus mit Vorliebe in Schwäne und goldene Regen verwandelte, während Hera es vorzog, sämtliche Lieblingsstädte ihres Göttergatten von bösen Plagen heimsuchen zu lassen. Ich rückte meinen Kranz zurecht; aber ich kam mir nicht wie ein Bräutigam, sondern eher wie ein Opfer vor. Wer bietet dieses Lamm zum Schlachten dar? Und warum, in Zeus’ Namen, hatte ich dieses Gefühl?
    Dann erblickte ich Phaidra, die von ihrem Vater geführt wurde, und sie sah wie das von Skythines gemalte Bild von Galateia aus, das im Hephaistos-Tempel hängt, gleich links, wenn man hereinkommt. Sie wissen ja, wie Galateia 209
    gerade den Kopf wendet, um Pygmalion anzusehen, der mit offenem Mund dasteht und sich offensichtlich wie ein Vollidiot vorkommt. Ihr Kopf ist nur leicht geneigt, als habe sie ihn eben erst bemerkt, aber sie weiß, wer er ist.
    Sie will gerade etwas sagen, und man steht minutenlang gefesselt da, weil man glaubt, sie könnte jeden Moment die Lippen öffnen. In dieses Bild war ich verliebt, solange ich zurückdenken kann, und Phaidra sah genauso wie Galateia aus; und mein Kopf schmerzte so stark, daß ich kaum geradestehen konnte. Vielleicht war es die Art, wie sie zwischen den Hochzeitsgästen, die sich rings um sie scharten, so reglos dazustehen schien; möglicherweise war es auch der Fackelschein, der den Eindruck eines inoffiziellen Sonnenuntergangs hervorrief, in der sie die untergehende Sonne war. Zweifellos sah sie im Licht der Fackeln wirklich sehr jung aus, aber sie wirkte kein bißchen nervös, wobei sie mit ihrem ganzen Hochzeitsputz wie in ein Paket eingewickelt war. Ich dachte an die alte Geschichte, wie der Tyrann Peisistratos aus der Verbannung nach Athen zurückkehrte, indem er eine Frau als Athena verkleidete, ihr Goldstaub ins Haar streute und sie in einem goldenen Triumphwagen vor sich herfahren ließ, so daß alle Stadtwachen ihre Speere wegwarfen und aufs Gesicht fielen, weil sie glaubten, die Göttin bringe Peisistratos höchstpersönlich nach Hause.
    Die Flöten verstummten, und ich trat mit einem ähnlichen Gefühl vor, wie ich es immer gehabt hatte, wenn ich in der Schule etwas vortragen mußte und mich nach der dritten Zeile an nichts mehr erinnern konnte. Ich streckte den Arm aus und griff nach Phaidras Hand, von der ich, 210
    soweit ich mich erinnern kann, höchstens drei Finger zu fassen bekam. Ihr Vater sagte seinen Text auf, und ich lächelte blöde. An meinen Text konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, und wenn ihn mir Kallikrates nicht ins Ohr geflüstert hätte, ständen wir vermutlich allesamt noch heute dort.
    Phaidra hob den Kopf und sah mir in die Augen. Ihr Gesicht schien hell wie die Sonne zu strahlen, und plötzlich fühlte ich mich sehr viel besser. Als ich sie zu mir ins Haus zog, stolperte sie.
    »Um Himmels willen, sie hat die Türschwelle berührt!«
    stieß jemand entsetzt aus, denn das ist natürlich das schlechteste Omen überhaupt.
    »Ach, halt die Klappe!« fauchte jemand anders. »Jetzt nies doch endlich mal einer!«
    »Dafür ist es jetzt wohl schon ein bißchen zu spät«, meinte die erste Stimme, woraufhin ein trompetenartiges Geräusch zu hören war, das ich als ein vorgetäuschtes Niesen auffaßte.
    »Na ja, ich fürchte, das läßt sich jetzt auch nicht mehr ändern«, seufzte Phaidras

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