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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Felsstein zu setzen, der als Steighilfe für Reiter diente.
    Dann erklärte er ihm eindringlich und lautstark, es hänge ihm allmählich zum Hals heraus, diese gottverdammte 244
    Insel zu durchstreifen, um irgendwelches Silber aufzutreiben, das offenbar verzaubert sei. Deshalb habe er sich nun entschlossen, just in diesem Dorf zu bleiben und dort so viel zu essen und zu trinken, wie ihm beliebe, und seine Männer aufzufordern, dasselbe zu tun, bis es an der Zeit sei, nach Hause zu fahren. Wie er hinzufügte, werde er seine Männer zum Zeitvertreib mit dem Bau einer kleinen Gedenkstätte beauftragen, die an unseren Aufenthalt erinnern sollte. Sobald diese Gedenkstätte fertiggestellt sei, werde er sie persönlich dem Glück von Miletos weihen, im Gedächtnis an einen wenig bekannten milesischen Helden, der hier durch samische Hand getötet worden sei, als ein paar Fürsten von Miletos das Dorf vor etwa zehn Generationen geplündert hatten. Da er aber kein angeberischer Mensch sei, werde er sich nicht selbst als Setzer des Grundsteins nennen. Statt dessen werde er in ihn die Namen sämtlicher Dörfer, die er besucht habe, einmeißeln lassen und einen Boten in die Großstädte von Samos schicken, um alle frommen Männer aufzufordern, die Gedenkstätte aufzusuchen und dort die Götter zu verehren. Schließlich erhob er sich, als hätte er seine Darlegung beendet. Dann drehte er sich noch einmal um und fügte mit betont sachlicher Stimme hinzu, daß, falls plötzlich durch irgendein Wunder die Tributgelder aus den Dörfern doch noch eintreffen sollten, er so mit dem Überprüfen der Zahlungen und dem Aufstellen von Listen beschäftigt sei, daß er keine Zeit mehr für sein heiliges Bauvorhaben habe und die anderen Samier von dem religiösen Eifer ihrer Mitbürger wahrscheinlich niemals etwas erfahren würden.
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    Am nächsten Morgen erwachten wir aus einem tiefen Schlaf, der eigenartigerweise weder von streunenden Hunden noch durch mysteriöse Steinschläge oder plötzlich auftretende und unerklärliche Geräusche (die wir nach und nach als Bestandteil der Lebensweise auf Samos hingenommen hatten) gestört worden war, und machten uns daran, Steine für die Gedenkstätte zu hauen. Doch als wir den Marktplatz überquerten, stießen wir auf eine kleine Gruppe abgekämpft aussehender Samier, die an kurzen Zügeln einige Maultiere mit sich führten. Auf den Rücken der Maultiere waren Krüge geschnallt, die von Silbermünzen überquollen. Wir schütteten sie auf Decken aus und begann zu zählen, wobei allein der Anblick der verschiedenen Münzbezeichnungen und Verzierungen schon das reinste Vergnügen war. Es gab athenische Eulen und äginetische Schildkröten, Pferde aus Korinth und Karthago, Löwen aus Leonidion und Arethusen von Syrakus; da waren Aiasse von der opuntischen Lokris, die erst wenige von uns zuvor gesehen hatten, und einige sehr schöne Münzen mit Tauben, die niemand identifizieren konnte. Es waren sogar persische Sigloi dabei, in die der als Bogenschütze gekleidete König eingeprägt war und die aus der Zeit vor den Kriegen stammen mußten, als Samos noch Teil des Persischen Reichs gewesen war. Uns kam es wirklich so vor, als ob einige Samier sehr tief in uralten Reserven gegraben hätten, um für uns das ganze Silber aufzutreiben. In einigen Fällen sogar ein bißchen zu tief, denn als wir die Schlußabrechnung machten, stellten wir fest, daß wir etwas über zwölf Stater mehr pro Mann als die erforderliche Summe hatten. Aber zu dem Zeitpunkt waren alle die Silbermünzen so gründlich miteinander 246
    vermengt, daß man unmöglich sagen konnte, welcher Dorfbewohner zuviel bezahlt hatte. Da es unter den Nachbarn außerdem unzweifelhaft Verstimmung hervorgerufen hätte, wenn wir die Sache zu klären versucht hätten, entschieden wir uns, das Ganze zu vergessen und den Überschuß als eine Art anonymes Geschenk anzunehmen.
    Der Taxiarchos füllte das gesamte Geld wieder in die Krüge und ließ jeden einzelnen mit einem Bleisiegel verschließen. Dann ließ er den Dorfobersten herbeirufen, der diesmal ein bißchen bereitwilliger kam, und ließ ihn wie tags zuvor auf den Marktplatz Platz nehmen.
    Inzwischen hatte sich eine ganze Schar Samier versammelt, um das Geld zu sehen, und der Taxiarchos ließ uns vor den Krügen antreten, bevor er zu sprechen begann.
    Zunächst legte er das Geständnis ab, daß er bis jetzt keine hohe Meinung von der samischen Treue gegenüber Athen gehabt habe. Wie er weiter

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