Wallenstein (German Edition)
Wasserstiefeln mit Sturmhaube in Einzeltrupps tasteten die Wallensteiner herüber, wo sich die Leiber der Mansfelder wanden, fanden nicht hin. Der Himmel schlug mit Keulen auf sie ein, achtete nicht auf erstarrende Herzen. Faulten in ihren Panzern, wußten auf dem Felde nicht, was sie sollten. Auf Wagen hausten sie Tag und Nacht; Wasserratten schwammen durch die lehmigen Tümpel Lachen, zogen sich an Zeltplanen hoch, fraßen Holz Leder Leichen an, stürzten wimmelnd in die Lagerstätten.
Wie der Regen nachließ, gab die Steppe die letzten Menschen von Mansfelds Heer frei; weg liefen sie, verschüchtert vergraust, zu Menschen, in die Städte nach Norden, nach Westen, in die Dörfer Gehöfte, verkrochen sich in Häuser, hingen sich an Kinder, an Tiere, versuchten zu denken mit gerunzelten Stirnen.
Den Bastard fand man eines Morgens brüllend und schäumend am Boden seines Wagens liegen; keiner ging zu ihm herein, man wußte, was das war. Zwölf Mann seiner Leibgarde waren bei ihm; die letzten zwei Kompagnien hatte er für tausend Dukaten an Bethlen verkauft. Sie glaubten, er würde im Anfall verrecken.
Mittags stiegen zwei zu ihm auf den überdachten Troßwagen; er saß im Panzer auf den Decken, der kleine geschwollene glotzäugige Mann, wog Geld in der Rechten und Linken, schrie mit versagender Stimme: »Weiber! Weiber!« Warf ihnen eine Handvoll Dukaten zu; die letzten Pferde wurden vorgespannt, man machte sich auf die Flucht. »Ich muß nach Venedig, ich muß nach England. Vorwärts. Wir sollen den Betrüger schlagen, den gelben Böhmen. Der falsche Soldat, Kipper und Wipper.« »Weiber! Weiber!« Man brachte ihm aus Dörfern, aus den Wäldern, vom Ziehbrunnen Frauen, denen man auflauerte, Mädchen. Ärmelhemden aus feiner weißer Leinewand, zartblau, karmesinrot, am Hals gefältelt, manche mit Korallenkettchen, tiefgeschnittene Leibchen; sie liefen mit nackten Füßen, schaukelten kirschrote kurze Röcke; wie Kälber vor dem Abstechen schrien sie, als man sie auf die Pferde hob. Mansfeld schlug eine Lache an, als man sie ihm in den Wagen setzte und sie weinten, bettelten: »Weg mit den geputzten Affen! Die blödsinnigen Gesichter. Sucht euch Kornetts, junge Hündinnen.« Überhäufte sie mit Schmähungen; nicht einmal Spaß machte es ihm, als seine Begleiter den Mädchen die Gewänder auszogen auf offenem Feld und hinter die Nackten Piken schleuderten. Sie schleppten ihm ganze Karren oller Weiber an, schwarzhaarige grausträhnige, mit Läusen bedeckt, in morastigen übelduftenden Lumpen. Er befiel mit Inbrunst das welke schmierige Gesindel, die tollen Vetteln vergewaltigte er, das Krähenvolk raschelte verzückt mit den Flügeln und struppigem Gefieder. Vom Küssen und Saugen an ihnen wurde seine Hasenscharte entzündet, schwoll unter der kleinen Stülpnase wulstig an; die Narben, die sein auseinandergezogenes Gesicht kreuz und quer durchzogen, lagen reihenweise in Tälern, über die die blaugedunsene Haut hochquoll. Das gräuliche Gelichter hätschelte er, nannte sie Mütterchen, sich den Säugling; Hellebarden und Dolche lagen neben ihm.
Durch Ungarn nach Süden vorrückend, Bosnien genähert, pries er, täglich stärker von Luftknappheit gequält, den König von England, den reichsten edelsten Mann, den einzigen wahrhaften König, dazu den verlassenen betrogenen Pfalzgrafen Friedrich. In den wilden bosnischen Bergen mußten seine Leute einen katholischen Priester auftreiben; er erklärte ihm, daß er noch zuletzt zu seinem alten Glauben wiederkehren wolle, beichtete und empfing in feierlicher Handlung die Absolution; schlug den Priester dann mit einem Stuhl nieder, seine Leute, die im Versteck zugehört hatten, herbeirufend: »Er hat sie mir gegeben, die Absolution, ich hab’ sie, er kriegt sie nicht wieder. Hähä, ich hab’ sie mir rechtlich erworben.« Des Nachts zwischen Sarajewo und Spalato in einem Dörfchen Rakovica in ein Haus verbracht, verjagte er alles um sich, was nicht zu seinem Zug gehörte, ließ sich sterbend den schweren Kürassierpanzer anlegen. In höchster Atemnot stand er die ganze Nacht, wie einmal in der Mark, von abwechselnd drei Mann gestützt mitten in der Stube, ließ sich die Knie halten, den Rumpf. Er rasselte röchelte in den grauen Morgen hinein; bei jedem Versuch, ihn hinzusetzen, schnappte er, schlug rückwärts mit einer Panzerschiene. Mit beiden Fäusten klammerte er sich an sein langes Schwert, das er zwischen den Füßen vor sich in einen Spalt des Holzbodens gestoßen
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