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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Wasser und trockneten ein. Einer roch den andern. Sie warfen sich von Ort zu Ort, drückten ihre Leiber fest an den Boden, umklammerten Gehöfte Dörfer Flecken, und wie sie abzogen, ließen sie Schleim Kot Blut zurück, Schutt, glimmende Asche, gelbe Leichen mit verbogenen Gliedern, offenen Mäulern.
    Von Einzelläufern kam die Nachricht – Mansfeld und den Böhmen erreichte sie zu gleicher Zeit –, daß über die Heide her der Siebenbürger Fürst mit zwölftausend frischen Reitern von Debreczin schwebe; in Ofen klingle die Janitscharenmusik des Türken, die Türken rennen zu Hauf, die Widersacher, sie kommen, sie kommen bald. Stumpf wiesen die Mansfelder das ab; sie hörten kaum hin, ließen sich nicht stören, sie waren im Geschäft des Sterbens, der Boden war schön. Bis über die stille stille Steppe mitten am hellen Tage kleine zweirädrige Wägelchen auftauchten, unter die Mansfelder rollend Wasser Wein. Man fragte nicht, wer sie seien, zerbrach die Tonnen, verschüttete das Wasser, sank hin. Neue Wagen, Brot Vieh Wasser Wein frische Pferde Heu am hellen Tage über die platte mörderische Steppe. Die Söldner wußten nichts von Krieg, umfingen zärtlich das Wasserchen, weißes Wasserchen, süßes Wasserchen, streckten sich hin, aßen, lachten. Liebes Brot, liebes Wasser, lieber Wein. Richteten sich auf und fingen zu heulen an, küßten sich, die Eisenhauben abgeworfen, umarmten sich, blökten wie Vieh mit verzerrten, kläglichen Mienen, schlugen den Sand mit den Fäusten, pochten mit Riemen an ihre Brüste. Das Heulen verbreitete sich unter allen Soldaten, es artete in fiebriges Wüten aus; monoton schwoll und hallte das Jammern. Wie die Führer unter sie stiegen, weigerten sie sich zu marschieren. Sie hielten sich jauchzend und einander ermunternd an den Wein, das Fleisch, das Wasser. Auf alles Bitten und Befehlen schüttelten sie den Kopf, schlürften, duselten, schliefen, weinten, kannten sich nicht. Braune Sumpfrasen, in die sie singend, lethargisch, triebartig liefen, versanken. Blaugeschecktes mannshohes Goldbartgras; die Ährchen glänzten metallisch, Federgräser, Schmetterlingsblumen. Der schwarze Ibis lief vorüber.
    Als der Flugsand sein Lager fast verschüttete, nahm Wallenstein mit seinen Obersten eine Zählung vor; dann hieß er die Menge der Profosse und Henker verzehnfachen und sie vier Tage lang unter den Erschöpften Widerspenstigen Aufsässigen Kranken aufräumen. Bei der Musterung, die er selbst abnahm, in einer Kutsche wegen seiner Leberschwellung fahrend, erklärte er zum Fenster heraus den Offizieren, sie seien nicht zum Spaß von ihm und dem Kaiser angenommen worden, keineswegs, es könne um das Leben gehen. Er würde Vertrauensoffiziere ernennen, denen er das Recht gebe, in den jetzt beginnenden Schlachten jeden, Offizier und Mann, niederzumachen ohne Gericht, der nicht mit voll erlaubter Grausamkeit sich gütlich tue an den Meineidigen. Dies möge von Profossen und Henkern bekanntgegeben werden. Einen Tag vor der Begegnung mit dem Feinde strömte das Blut im Heere der Kaiserlichen, dem Blutbad fielen vierhundertfünfzig Mann zum Opfer; sie wurden fast ohne Grund von Beauftragten in ihren Zelten oder auf Lagerstraßen zur Abschreckung niedergemacht. Gepeitscht, gänzlich besinnungslos raste von Neuhäusel das kaiserliche Heer los. Sie lagerten nicht zur Mittagsrast, setzten sich nur vier Stunden über Nacht, rannten – Wallenstein unter ihnen –, daß Troß und Bagage zurückblieben und ihnen nur Rettung in der Besiegung des Feindes gegeben war. Die Türken streckten die Hälse über die Mauern von Neograd; in starren, unbezwinglichen, grausigen Wellen kamen unten Massen her, ohne Artillerie, ohne Gefährt. Die Türken wichen ab von der Stadt. Die Menschenwellen schlugen über der Stadt zusammen. Sechs Tage setzte sich Wallenstein.
    Wieder begann das Suchen nach dem Feind, man irrte tiefer in die Torfsümpfe, kaute rohe Rüben und Blätter, scharfe Pflanzenhalme. Die ungarische Ruhr brach unter den Reitern aus, das Heer erduldete ohne Laut alles. Fast vernichtet, des Äußersten gewärtig, schleppten da Bethlen und Mansfeld ihre Heere an. Sie waren aneinander, hatten sich gefunden, gingen nicht auseinander. Lagen sich Wochen auf Sandhügeln gegenüber; Regengüsse, Sturm, Hagel; Fieber schüttelten die Söldner. Meilenweit Öde. Aufglitzernde Teiche, Weidenbüsche, Röhricht, weiße Dünen. Da lagen sie, die sich lange gesucht hatten. Knirschend und schreiend in riesigen

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