Wallenstein (German Edition)
toller Stier der Friedländer auf. So gräßlich war sein Schelten und Toben auf den Wiener Hof, der ihn zu der Fahrt hinter dem Mansfelder zwang, daß Aldringen Briefe an den erschrockenen gänzlich kopfscheuen Präsidenten Kremsmünster schrieb: Der Friedländer sei unterwegs aus Niedersachsen mit seiner ganzen wilden Armada; er schwärme auf Schlesien zu; »begütigt ihn, laßt den Kaiser freundlich schreiben; es kann geschehen, daß er in seinem blinden Wahnsinn auf Wien losstürzt und Euch zertritt.«
In dem Städtchen Ellrich bei Nordhausen erlebte der alte Graf Tilly eine letzte Begegnung mit dem Herzog vor dem Abmarsch, die in ihm die Hoffnung auslöschte, jemals mit dem Böhmen kameradschaftlich auszukommen. Wider alle Wahrheit und Wahrscheinlichkeit erklärte der Böhme, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen, auf den Tisch hin, der Däne, die Niedersachsen, Mansfeld, dazu auch schwedische Völker seien eins darin, konzentrisch auf Schlesien vorzugehen, die kaiserlichen Erbländer zu überfallen, nachdem sie dem Siebenbürger, Türken und Tataren die Hände gereicht hätten. Er könne nicht säumen, auch nicht das Quentchen eines Vierteltages, und müsse mit ganzer Macht auf. Er, der Jüngere, überhörte in einer Roheit, die den Grafen zittern ließ, jeden Einwand, der von eben anlangenden Kundschaftern vorgebracht und von dem sesselversunkenen kopfsenkenden Ligisten bekräftigt wurde. Es war wie das Amen in der Kirche, daß er, der kaiserliche General, keinen Troßbuben an der Elbe stehenlassen könne, es würde davon nicht abgegangen werden und wenn das ligistische Heer mit dem letzten Mann zugrunde ginge. Mit einer Bosheit und Grausamkeit ohnegleichen schmetterte der lange, herumwandernde Böhme das dem Tilly vor die Füße. Draußen wieherten die Pferde der Kaiserlichen. Auf einem Nachtritt waren sie hergekommen. Als Abschluß, nach Verstreichen von fünf lautlosen Minuten, gab der Herzog ohne Vorbereitung mit heiserer, unnatürlicher Stimme von sich, er werde fünfundachtzig Fahnen zu Roß und Fuß zurücklassen, mehr nicht. Mit einem verzehrenden Blick äußerte er das, während er schon die eiserne Türklinke in der Hand hatte. Und Tilly konnte drin überlegen, was dies Ganze sollte: fünfundachtzig Fahnen, mehr, viel mehr, als er gefordert hatte.
Wie von einem Unwetter wurde die friedländische Front abgebaut. Von der ruhmreichen Dessauer Brücke riß sich Oberst Pechmann los, hinüber auf das rechte Elbufer, fünftausend Mann mit ihm, Kürassiere und Arkebusiere des Marradas, Gonzaga, Scherffenberg, Areyzaga de Avendaño, Coronini, Dragoner des Hebron. Mit wenig Tagen Abstand Infanterie und Artillerie, dann Wallenstein mit seiner Hauptmacht. Sie hatten ihn von Wien ängstlich gebeten, nicht nach Schlesien einzudringen oder nur wenig, damit dem armen kaiserlichen Lande nicht noch mehr geschehe; schlage er doch den Mansfeld vorher. »Geschieht«, brüllte der Rasende im Abmarsch zurück; »wie die Herren es aufs Papier setzen, wird der Feind auf mich warten und sich schlagen lassen. Und ich bin hin- und herspaziert mit der Karosse von Halberstadt nach Breslau, nach Wien, nach Halberstadt. Jetzt gibt’s nur ruinierte Länder oder verlorene Länder. Macht keinen Unterschied der Krieg zwischen des Kaisers oder eines anderen Land.«
Sehr blaß sagte Trautmannsdorf im Rat: »Ich weiß nicht, ob wir Siege oder Niederlagen von ihm hören werden. Er ist klug, geschickt; vielleicht wird er siegen. Aber es scheint mir, als ob uns noch anderes von ihm zu Ohren kommen wird.« Und später: »Es ist mir nicht klar, gegen wen der Herzog Krieg führt.«
Die heißen Augusttage über dem drängenden Heer. Von den reichen Futterstellen weg in fragwürdige Länder. Hinter Wallenstein die Regimenter Collalto Tiefenbach Merode Schlick Sachsen-Lauenburg Wallenstein Nassau, zu Pferd Strozzi Wittenhorst Gürzenich Zrinyi Neu-Sachsen Orehóczy Isolani Kürassiere Lamottes. Sächsische Ebene, kleine Türmchen, verbrannte Äcker, Kottbus, Forst, Sorau, Sagan. Kontributionen waren nicht zu erheben, Wallenstein war nicht flüssig, rechts und links brachen Rotten und Kompagnien aus, um sich bezahlt zu machen. Die Bäume füllten sich wieder mit Leichen, die Strafen stiegen vom Strengen ins Grausame. Um den General waren der Feldmarschall Marradas und der Feldzeugmeister Graf Schlick; sie bebten vor dem Herzog, mit wüsten Flüchen und auf die Gehängten weisend, frohlockte er: »Wer hat dem Kaiser diesen Krieg eingebrockt? Sie
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