Wallenstein (German Edition)
Ist dann genugsam geflogen, sagen wir: ›Danke schön, danke fein, Herr Vögelchen. Kettchen am Bein, Ringchen am Hals, Näpfchen vor dem Schnabel. Traurig Leben, traurig Leben.‹«
»Was glauben die Herren Brüder? Pro clausula finali geschluckt! Er ist gut, er ist hold, er ist fromm. Die Renegaten sind die frömmsten. Wenn die Römische Majestät genug hat von ihm und seine Knochen hohl sind, entläßt sie ihn in Gnaden, gibt ihm einen Klaps, einen schönen Namen – nicht Kälbchen, nicht Äffchen, nicht Schäfchen –, vielleicht ein neues Wappenschild, und so muß er die Tür nehmen.«
Zu dem jubelnden Abt Anton, der jeden seiner Freunde küßte, die ihn besuchten in seiner blumen- und weinduftenden Bibliothek, meinte Trautmannsdorf, indem er einen Tanz vor dem Händeklatschenden versuchte: »Ich begreife alles. Es ist nicht nötig, daß Ihr klatscht, Ehrwürden. Die Musik macht der Herzog von Friedland, von Sagan, von Mecklenburg. Ich gehe in Ferien. Wir brauchen nicht mehr regieren. Wir erhalten unsere Gehälter, und er tut die Arbeit. Ich stelle mich Euch zur Verfügung; wie wollt Ihr mich beschäftigen?«
Anton streckte feierlich, aus glücklichen Äuglein blickend, die talarversteckten Arme aus: »Seid in Euren Ferien bei mir willkommen. Feiert Eure Ferien mit mir! Setzt Euch zwischen Folianten, Kerzen, Büchern dort auf Eure Truhe. Ich will Euch bedienen.«
Und während sich der feine Graf schlaff auf die Truhe niederließ, eine Papierrolle beiseite schiebend, bot ihm der vollwangige Abt strahlend einen französischen gepfefferten Likör, erbeutet in Holstein von einem Wallensteinischen Streifkorps: »Seht, Lieber, Bücher sind vorhanden, der Likör hat sein Dasein. Aber wißt Ihr, wißt Ihr, wir sind beinah nicht mehr da. Ihr könnt raten: was ist das Wichtigste für einen Menschen?«
»Aber Ehrwürden, die unsterbliche Seele.«
»Gewiß, unbestritten. Im übrigen aber. Denkt nach. Der Stellvertreter; das ist das Wichtigste für einen Menschen. Wenn es einen gibt, der einem das Recht zum Leben gibt, daß man aufatmen kann, weil er die Arbeit abnimmt: Vernehmt: kein Schatten. Sondern –«
»Einfach Wallenstein.« Trautmannsdorf lächelte, goß sein Glas in eine Blumenvase: »Die Reseden sind so schön, sie mögen auch von Eurem Likör schmecken.«
»Er ist der Stellvertreter, wie wir ihn seit Jahrzehnten gebraucht haben. Das Haus Habsburg seufzte nach ihm. Nun ist er da.«
»Er erfüllt in der Tat diese Aufgabe außerordentlich. Ihr seid bald nicht mehr da. Er hat dem Kaiser die Last abgenommen, Kaiser zu sein. Er siegt für ihn, ernennt für ihn, politisiert für ihn.«
»Also, Ihr seht: außerordentlich. Wir haben dies gebraucht. Es ist eine Lust, Kaiser zu sein. Es gibt keinen Diener, der neben dem Böhmen zu nennen wäre.«
Trautmannsdorf tauchte und drehte die Reseden in der tönernen, bemalten Vase neben sich: »Sie werden bald betrunken sein, die Reseden. Paßt auf, wie sie die Köpfe senken werden. Sie vertragen so kräftige Nahrung nicht. Und was meint Ihr, was wird nachher aus Friedland, wenn er trefflich Kaiser spielt, und aus dem Kaiser, wenn er sich so trefflich vertreten lassen kann?«
»Sie ergänzen sich; sie ehren sich. Es wird keiner im Reich nach dem Kaiser mächtiger sein als Friedland; Augustus, sein Feldherr Cäsar.«
Nur Fürst Eggenberg sah sich am Hofe um, erkannte die schrankenlose Freude, gegen die es kein Ankämpfen gab. Er war allein. Die geifernde, grollende Clique des Bayern, der Spanier wollte sich an ihn werfen, Stralendorf sprach ihm zu; trauriger zog er sich zurück, als er erschreckt bemerkte, daß die Feinde Ferdinands sich ihm gesellten.
Dann setzte er sich gegen den Kaiser. Er hegte nicht mehr das geringste Mißtrauen gegen Wallenstein, ihn widerten die Bayern an, die Haß am Hofe säten; er hatte still in sich das unverrückbare Gefühl: diese furchtbare Macht darf nicht auf einen einzelnen gehäuft werden. Mit Liebe suchte er die Bewegungen in der Seele des Kaisers nachzufühlen, seine Glückseligkeit über das Geschick, das Wallenstein vollstreckte. Er trauerte; er wußte; wie wohl dem Kaiser war, wie er beglückt war nach der schweren bayrischen Affäre. Wochenlang hielt sich Eggenberg in seiner Wohnung. Dann war ihm klar: dem Herzog mußte die Macht abgenommen werden; es durfte nicht zum letzten Bruch mit den Kurfürsten kommen. Und mit wachsender Angst hörte er um sich jubeln, sah das Schrecknis des böhmischen Herzogs. Spähte um sich,
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