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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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er gebetet hatte, mit Fyens, dem stummen niederländischen Arzt, nach München. Er hielt sich in seiner Residenz vier Tage eingeschlossen; Fremde suchten seine Audienz nach, Bildersammler Gemmenhändler wollten ihm ihre Auslagen bringen, Briefe von Tilly liefen ein, seine Tür war nur Vervaux, dem Beichtvater, und dem Leibarzt offen. Man sah ihn durch den Hofgarten, die Grottenhöfe in der warmen Herbstluft gehen. Es geschah, daß er seinen Kriegsratspräsidenten zu sich berief und zum ersten Male um Rat über die Kriegslage fragte. »Mein Heiland, daß du mich versuchst«, kam aus seinem Mund vor dem Präsidenten gegen Schluß des Vortrags.
    Er ließ seine Räte und die Vertrauten des Hofes eines dunklen Morgens in eine kleine Ritterstube rufen. Maximilian, barhäuptig, ungegürtet, stand, nachdem er sich von einem Sessel erhoben hatte, streng und wie abwesend vor einer hohen Prunkkredenz. Er dankte ihnen mit leiser Stimme, die sich bald kräftigte, daß sie erschienen seien. Er denke gewiß groß von ihnen, die ihm soviel geleistet hätten. Ihre Gesinnung hätte sich gegen ihn zu jeder Stunde bewährt. Er stockte viel. Es sei ihm klar geworden, nach vielem Nachdenken, daß er sich kaum werde behaupten können. Als darauf Bewegung unter den ernsten alten Herren entstand, richtete er sich aus seinem Hinstarren auf. Ja, er hielt es nicht für unwahrscheinlich, daß er der letzte des Hauses Wittelsbach sei. Daß er nicht spielte, erkannte man an den glühroten Striemen über seiner Stirn, an der Art, wie seine Finger über dem weißen Wams zuckten. Sie seien in Gefahr wie noch nie. Es sei ihm unmöglich, jetzt schon deutlicher zu sein. Wer sehen könnte, sähe schon; es werde bald erhellen. Er wisse nicht, wie er aus diesem Kreis feindlicher Mächte Bayern herausgeleiten könne. Zum Schluß flüsterte er, er brauche Mitwisser, Mithelfer. Sie möchten seiner gedenk sein. Es war fast ängstlich, ihn anzusehen, wie sich der Stolze abrang so zu sprechen und wie die Audienz fast mitten in der Rede abgebrochen wurde. Aber die finstere Katastrophenstimmung, unter der er stand, nahmen sie mit. Sie nahmen das Entsetzen mit, das der Einsame, der sonst nichts von sich gab, mit seinen halblauten Worten von sich strömte. Als stünde der Feind vor der Tür.
    Er saß in seinem verschlossenen Palast, mit Fasten, nächtelangem Beten, Selbstfolterungen an sich rüttelnd. Die Liga war verdrängt vom Kriegsschauplatz, Graf Tilly, er konnte nicht an ihn denken, ohne geätzt zu werden von der blinden verzweifelnden Wut, seine Kiefer rieben sich aneinander. In den sehr stillen, glühheißen Wochen ritten häufiger und häufiger fremdländische sanfte Männer durch die Straßen Münchens. Sie waren fromm; standen vor der diamantenüberschütteten Reiterstatue des heiligen Georg in der Hofkapelle, beteten vor ihr; keine Frühmesse versäumten sie. Feine freie lockenumspielte Gesichter hatten sie, kleine Spitzbärte, mit Lächeln blickten sie die Männer und Mädchen an; keiner konnte ohne Freude sie zierlich und fest hinschreiten sehen. Bologneserhündchen mit glatten weißen Haaren, schwarzer Nase trugen Diener hinter manchen her; auf den Brunnenrändern spielten und gurrten die Herren mit ihnen. Wie eine magische Tröstung drängten sie sich dem lethargischen Maximilian auf, der seinen Vater zurückwies, seine Räte beschied, ihn nicht zu stören mit ungefragten Naseweisheiten. Marquis Marcheville, ein langer Herr mit schwarzen vollen Locken, geschwungener starker Nase, feuchten großen Augen, flüsterte vor der deutschen Kurfürstlichen Durchlaucht, verschwiegen erinnernd an ihre alten Besprechungen, die französische Majestät hätte mit Freuden Kenntnis genommen von dem siegreichen Vorgehen der katholischen Mächte gegen den Dänen, sie vermeine, es sei vielleicht jetzt an der Zeit, den Frieden anzubahnen. Und als der Kurfürst hart zurückgab, nicht an ihn möge sich der edle Herr deswegen wenden, sondern an den Römischen Kaiser, schmeichelte der feingeschuhte Mann, so könne er doch nicht glauben, daß ein bayrischer Fürst, Kurfürst und Wittelsbacher, einflußlos im Heiligen Reiche sei und nicht Rechte und Pflichten in der Sicherung des Reiches vertrete. Dann bemerkte er, daß das ligistische Heer an den Erfolgen beteiligt sei. Danach dankte der Kurfürst.
    Als zweiter trat in das weite ebenholzgetäferte Empfangszimmer nach einigen Tagen im Kardinalspurpur eine niedrige fahlgesichtige Figur; ihre Stimme streng, sicher, Bagni, der

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