Wallenstein (German Edition)
einer sanften aufsaugenden Frau, die nur Gewalt in der Inbrunst besaß; eine Gnade des Himmels hatte sie ihm zugeschoben, sie war der schwingende widertönende Raum in seiner Seele. Jetzt zeigte er ihr, in der verschlossenen Sänfte mit ihr über Maienhügel fahrend, mit kleinen Sätzen, wie sich draußen alles fügte. Ferdinands Gesicht hatte sich von der Krankheit noch nicht hergestellt; einen fast kahlen kleinen Schädel, von faltiger Haut überzogen, bewegte er auf einem schlottrigen Hals, sein frierender eingefallener Leib verkroch sich, eingeschnurrt wie ein Igel, in die braunen und gesprenkelten Pelzmassen, Hände und Füße tremolierten viel. Die weißblauen Augen ließen es sich genügen, geradeaus zu blicken. Er flüsterte demütig: »Wir sind ein Werkzeug des Allmächtigen. Die Gebete und Fürsprachen sind nicht umsonst gewesen.«
Die Mantuanerin, aus allen ihren Zusammenhängen gelöst, ließ sich schon fast willenlos treiben, das Gefühl einer tiefen Sündhaftigkeit wurde sie nicht los. Knirschend beugte bog bäumte sie sich neben ihm zu der Rolle, die er ihr zuschrieb; immer wieder vergewaltigte sie sich mit Graus und Wonne, bog sich für ihn zurecht. Das lombardische Geträllere, süß, frei, mit der Lust einer reinen, hellen Landschaft um sich, die Erinnerung an ländliche Tänze, bunte Kleider, Feste mit sich tragend, vermochte sie nicht mehr zu hören, oder mit einem Hohn, der ihr selbst schmerzlich war. Was die Kirche war, daß es eine Kirche, eine seligmachende heilige Kirche geben mußte, wurde ihr verständlich in ihrer Sündhaftigkeit, rettungslosen Selbstentfremdung; in Gebeten schmiegte sie sich neben den Kaiser, es gab eine reine und selige Gemeinschaft zwischen ihnen, die alles entsühnte; da konnte sie ohne Zittern mit ihm wandern, wenn sie so bleiben konnte mit ihm. Sie wurde Stifterin von neuen Orden; alte zerfallene lockte sie an sich; der Gnadenschatz, den sie sich erwarb, mußte ihr das Leben erleichtern, Dunkel über den Weg gießen, den sie ging. Sie entdeckte mit selbstmörderischer Freude, daß ihr die härtere kühle Luft des Landes zunehmend mehr behagte, daß sie in Straßen fuhr, als wenn sie hier zu Hause wäre. Nur die Fremden, die aus Savoyen und Mantua sie besuchten und sahen, fanden, daß sie mit ihren unnatürlich aufgerissenen Augen nicht mehr zu erkennen war, daß sie wie vom Gram zerschnitten war, bezogen es auf ihre Kinderlosigkeit.
Und wie der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches versunken in die Höhe geschoben wurde von den Siegen, die ihm eine himmlische Macht zuwies, drängten sich im Reiche seine Parteihalter zusammen, sich des Raubs der Siegesbeute zu bemächtigen, wo er sich greifen ließ. Ihre heißen Augen lagen auf den beiden Erzbistümern, zwölf Bistümern in Niedersachsen mit dem berühmten Magdeburg Bremen Halberstadt Merseburg Lübeck. Man konnte sie jetzt anpacken, nach denen man so lange lüstern war; die Hochstifter waren die Zeugen des Niedergangs der katholischen Macht. Langsam, kaum merklich waren sie in protestantische Hände abgeglitten. Die trüben Zeiten waren vorbei. Unter den ligistischen Mitläufern des Kaisers hörte das Geraune nicht auf, als das Gesicht des Krieges sich unverhüllt zeigte, lächelnd gegen die Wallensteiner, finster gegen den Dänen. Man zog den Kaiser nicht ins Geheimnis, plante mit Ansprüchen an ihn heranzutreten als zu einer Kompensationsforderung bei seinem Machtzuwachs. Die feinhörigen Herren in Wien fingen ihnen das Wasser ab, besänftigten die Wut und das Widerstreben gegen das Vorgehen des Friedländers, indem sie die Rückgabe jener Stifter als mögliches Zugeständnis des Kaisers in Aussicht stellten, nach dem Siege, nach dem Siege. Sie wurden kirr; inzwischen konnte ungehindert der Kriegswagen des eisernen Böhmen über Niederdeutschland fahren. Wenn erst der Böhme und mit ihm der Kaiser in Glorie und Furchtbarkeit flammen werde, werde die Verhandlung über jene Ansprüche ein anderes Ansehen bekommen, wie man wünschte: dachten die Räte.
Die geistlichen Herren traten einzeln und in Gruppen in Wien auf; vor dem Reichskammergericht erschienen ihre Abgesandten, vor dem Reichshofrat. Klein war ihr Rechtsgepäck, um so schwerer; es war sicher nach den Friedenssatzungen des vergangenen Jahrhunderts, daß zahllose Güter, Erz- und Hochstifter, sich in falschen Händen befanden, – wenngleich inzwischen Land und Herrschaft protestantisch geworden war. Aber der Kirche war ihr Besitz entrungen, ihr war nach
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