Wallenstein (German Edition)
haben und was wir denken?« Mit grimmig fletschenden Zähnen der berserkerhafte Täufer: »Wollen wir nach Wien zum Kaiser und ihm sagen, daß wir die Herren nicht mehr wollen und keine Gewalt wollen und nur Jesum Christum und den Römischen Kaiser über uns anerkennen. Wir verlangen Verantwortung für die Schändung unsers lieben Heilands, man soll uns Jesum wieder ausliefern. Und Buße zahlen.« »Buße!« »Buße!«
Leute, die hinzuliefen, fragten: »Wo wollen wir hin?«
Von hinten, aus der Mitte: »Wo ziehen wir hin?«
KAISER FERDINAND erlebte mit tiefem Glück, wie das deutsche Reich unterjocht wurde. Es war sein Entschluß gewesen, der diese grausige Maschinerie Wallenstein in Bewegung gesetzt hatte, er allein hatte verhindert, daß man die Maschinerie hemmte, sie arbeitete weiter. Rechts und links standen sie an seinem Hoflager auf, um seine Wonne zu schmälern, er sah mit ungestörter Ruhe zu, zwinkerte mitleidig, hoheitsvoll. Fürst Eggenberg war zu nüchtern auf Sicherheit bedacht, konnte nicht spielen, nicht gewinnen; gut, daß er so war, man konnte sich seiner bedienen. Trautmannsdorf hatte Mut, aber er trug an seinem Buckel, liebte es, an der Sonne zu liegen und behaglich aus dem Winkel zu kläffen. Freudig grunzte der große Lamormain, roch den großen Braten, der der Kirche im Norden bereitet wurde; damit war es genug, sonst hieß es mäkeln, ihm war niemals recht geschehen. Herrn Meggau flossen die Gelder nicht rasch genug her, Graf Stralendorf ächzte über die fatale Armee, die nur halb katholisch war, als ob eine Unterwerfung durch protestantische Hand weniger nachdrücklich wäre als durch katholische. Und was machte in München der entthronte Max, jetzt nicht mehr Kaiser im Reiche, sondern Fürst unter vielen, ein zähneknirschender. Das Abenteuer hatte er in schon grauer Zeit heraufbeschworen, ohne ihn wäre der Herzog von Friedland nicht in die Höhe gekommen und angenommen als kaiserlicher General; der Kaiser war ihm Dank schuldig, aber der Bayer war nicht froh über den Lauf der Dinge, es schien so, es schien ganz so, ihm behagte nichts mehr im Reich, Opfer sein machte keinen Spaß. Und Sieger sein dem Friedländer nicht. Den trieb es als sein Verhängnis um, er hatte ein böses giftiges Blut in sich; wenn er Niedersachsen erobert hatte, drängte es ihn nach Dänemark; wenn Dänemark dalag, war Bethlen nicht ruhig; war Bethlen besänftigt, reizte der Türke; der Friedländer war das heiße Schwert, das zu schneiden verlangte, man mußte ihn halten, regieren. Ihm aber, dem Kaiser Ferdinand, war alles durchsichtig; für seine Frömmigkeit hatte ihm die Mutter Gottes diese Menschen und das unterjochte Deutschland verliehen. Der Kaiser, der in diesen Monaten nach der Zerschmetterung der Dänen und Niedersachsen, noch gelb vom Sumpffieber, in der Burg, in Wolkersdorf und Schönbrunn herumwankte, blickte den Dingen scheu und mit einer kichernden Verliebtheit unter die Augen, er empfing sie geheim und stumm wie ein Einsiedler, der Hirsche Rehe in seine Hütte einläßt. Der Zermalmung der Feinde in Schlesien schaute er mit einer schmerzlichen Gespanntheit zu, dann war plötzlich ein Faden in ihm gerissen. Er war plötzlich hellsichtig geworden. Die ungeheuren Märsche kamen, die Siege, er wußte sie vorher; ihm kam vor, er wußte noch viel mehr; manchmal schien ihm, als ob Wallenstein sein Vertrauter war, aber die kalten Meldungen zeigten ihm, daß der Herzog nicht wußte, was vorging. Und so wälzte sich geheimnisvoll leise der Krieg ab vor seinen Füßen; am Hofe tobten ekstatisch die Menschen über die Erfolge, die lauten Glocken dröhnten über Holstein, Pommern. Ferdinand erfüllte sich mit wachsender Ruhe und Scheu. Er wurde behutsam, stille; sein Schicksal sah er draußen sich abspielen. Eine ungeheure Hand wurde sichtbar in diesen von Kriegern Pferden Kanonen getriebenen Ereignissen, die Krieger wußten nicht, was sie taten, warum sie fielen, die Pferde liefen und glaubten den Lederzügeln und dem Kutscher zu gehorchen, die Kanonen waren aus Bronze, und keiner glaubte, daß mehr als die Geschicklichkeit der Bedienung die Stein- Blei- und Kettenkugeln lenkte. Eine Hand schrieb für den Sehenden in den niedersächsischen und holsteinischen Boden, Zug um Zug wurde die Schrift deutlicher.
Die Kaiserin sollte daran teilnehmen. Ferdinand dachte wenig an sie, so innig er auch mit ihr zusammen war, mit ihr spazierte, ausfuhr, ihr Geschenke brachte. Er ging mit einer Schöpfung von sich um,
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