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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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hingestellt.«
    »Das hat nicht auf unserm Feld zu stehen.«
    In ihnen allen krampfte der Drang, etwas zu tun; von Muskel sprang es auf Muskel.
    »Werft es um.«
    »Die Schandsäule um!«
    »Schandsäule.«
    Jeder Schrei hatte die Kraft, fünfzig neue nach sich zu ziehen. Wehrlos, schaudernd wurden die Vordersten, fast Anbetenden gegen die Säule geworfen; mit ihren Gliedern brach die Menge den Holzstock entzwei, zerknisterte ihn. Dann wußte man, was man wollte; man wogte weiter auf die nächsten Kruzifixe; es war eine Jagd auf die Säulen des Gekreuzigten.
    Aus den zurückliegenden Häuschen auf den gepflügten Berghängen sah man ihnen vergrollt, verdattert zu, schloß sich in die Stuben ein: »Auch damit ist es nichts! Sie schaffen’s nicht.« Der graue Vikar der Gemeinde, plötzlich angesteckt, zerknüllte seinen Talar, hetzte zu seiner Herde herunter, hielt mit stürmischer Brust eine tobende Predigt: es sei geistliches Werk, was sie täten, er nähme sich ihrer an, man hätte ihnen Christus gestohlen, einen falschen untergeschoben. Die Menge verschlang ihn; sie war nur Sturmbock, Stoßbock gegen die Holzsäulen. Aber immer wieder machte er sich frei, von allen Seiten wuchs das Geschrei, man war glücklich nachzustammeln: »Man hat uns Christus gestohlen. Das ist nicht unser Christus. Das ist der Christus der Herren, der Fürsten, der Ritter. Glaubt mir! Der falsche Christus. Zur Fron steht er hier. Sie haben Burgen gebaut mit Kartaunen, Wällen, Gräben, Mauern, um uns zu unterjochen. Die Kirchen sind Burgen. Der Heiland wollte uns befreien davon; sie haben ihn in die Kirchen geführt, gefesselt, eingeschlossen. Auf den Äckern steht er, damit wir wissen, daß wir dienen, daß wir Knechte zu bleiben haben. Kommt, ihr Mühseligen – hoho, kniet, ihr Mühseligen. In Rom steht er in der Petersburg ganz aus Gold. Der Satan hat sich des Heilands bemächtigt. Er hat ihn gestohlen!«
    »Wir müssen ihn befreien!«
    »Der Papst ist im Bunde!«
    »In die Kirchen.«
    »Rettet Jesum!«
    Von Aussig und Tetschen kamen Männer und Frauen gelaufen, die Scharen vergrößerten sich; die Masse gereizt, tatdurstig; dabei in der Tiefe gepeinigt von dem Gefühl, falsch zu laufen, immer wieder stockend, sich beruhigend. »Wir fordern das Evangelium Jesu, das die Herren uns geraubt haben.«
    »Betrüger! Schelme!«
    Und doch lief man nicht wider die Herrschaftshäuser, auf die Edelgüter, sondern durch die Dörfer gegen die Kirchen. Und unter dem Gefühl des Irrlaufs wuchs die Wut. Sie schrien, gegen die Haustüren schlagend: »Macht auf! Gebt Christus heraus! Sein Bild her aus den Häusern. Es ist der falsche.« Sie rissen Mistwagen aus den Ställen, spannten Ochsen davor, stapelten Kruzifixe, Bilder, Gebetbücher darauf. An den Fenstern weinten die Frauen, die Kinder erschraken vor ihren Vätern, die sie nicht ansahen. Ein junger einäugiger Bauer aus Aussig, ein ehemaliger Mansfelder, weinte brünstig, die Arme windend vor dem Stapel: »Besudelt hat man unsern Herrn Jesum Christ. Du warst nicht unser Schild, denn wir haben dich nicht gekannt. Es war nicht unsere Schuld, wir haben es nicht gewußt. Es war nicht unsere Schuld, daß wir deiner so spät gedenk sind. Verzeih uns Sündern!«
    Viele brachen in der Nähe in die Knie nieder. Angstvolles Rufen: »Jesus, Jesus!« »Verzeih uns!« »Erbarmen!« Die Starken, Grollenden ließen sich nicht bewältigen: »Wir wollen ihn retten!« Einer drängte sich durch, mit Schwimmerstößen gelangte er an den umzingelten Ziehbrunnen; als er am Schwengel zu reißen begann, wich man rechts und links ab. Wie ein Tiger schleppte er den vollen Eimer an den Wagen. Sie verfolgten aufmerksam seine Bewegungen. Er goß im Schwung Wasser über die Kruzifixe, schreiend mit wilder, überschlagender Stimme: »Die zweite Taufe. Es ist geschehen!« Freudig, mit aufgehobenen Armen betrachtete er das triefende Gehäuf, auch um ihn hob man dumpf sich hingebend die Arme. »In die Erde!« brüllte der Täufer, fanatisch sich schüttelnd und erbleichend. Sie schoben, automatisch gehorchend, den Wagen aus der Gasse; auf dem ersten Wiesenanger hieben sie mit Pikken ein Loch, versenkten die Kruzifixe, auch die schönsten mit den milden Gesichtern und den weinenden Frauen am Fuß. »Sein Leib in die Erde. Er selber, auferstanden von den Toten, wohnt im Himmel über uns.« In das Gewimmel, das sich weiterschob: »Nachdem uns alles so gut gelungen ist, wollen wir nicht zu Prag dem Statthalter sagen, was wir getan

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