Wallenstein (German Edition)
erlaubten ihm keine langen Debatten; gehörten die fraglichen Güter der heiligen Kirche, so würde das Reichskammergericht das Urteil fällen; er käme nur für die Exekution in Frage. Erst bei den stockenden Bemerkungen des langen Grafen, daß der Kaiser nicht recht für die Sache zu haben sei, wurde der General aufmerksam, warf seinen schlauen stechenden Blick. Er ließ seinen Freund, den jovialen Arnim von Boitzenburg, in das Zimmer rufen und fragte ihn, den Protestanten, in Gegenwart des kopfsenkenden Grafen, ob er Lust hätte, Magdeburg für die Katholiken zu erobern. Und auf das Erbleichen des Mannes und sein unsicheres finsteres Hin- und Herblicken gab er ihm die Hand: dies sei ihm nicht zugedacht von ihm, dem Herzog, sondern – irgendwoher, wo man anscheinend Hunger hätte nach dem Rind, aber keine Leine, es zu fangen. Er möge nicht beunruhigt sein, für dies Rind hätte er auch keine Leine. Dies sei, schmähte er nach der Entlassung Arnims gegen Stralendorf, seine Antwort an ihn: der Krieg habe nichts mit Religion zu tun, man möge nicht Schwierigkeiten machen. – Aber er sei doch Katholik, hob nach langer Pause der Graf den Kopf; ob er es nicht für billig ansehe, Vorteile, die sich aus der Kriegslage für die Religion ergäben, zu benutzen. – »Man denkt vielleicht wieder«, sagte der General, »mir einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Wenn ich katholisch bin, ist es meine Sache; mag den Herrn nicht scheren. Ich lause Rebellen in derselben Weise, ob sie katholisch oder lutherisch sind.« Darauf wiegelte sehr ruhig Stralendorf ab, es sei nur eine Anfrage gewesen, die er nicht verübeln wolle; es gäbe in einem Reich vielfache Interessen, regten sich viele Wünsche. Mißtrauisch betrachtete ihn Wallenstein in der Nähe: »Der Kaiser ist wohl dem und jenem zu stark geworden. Möchten ihn etwas zwicken. Möchte wohl auch der und jener im trüben fischen. Lass’ Er sich nicht zum Werkzeug verkappter Schelmereien machen.« Stralendorfs Abschied war nicht gnädiger als sein Empfang.
»Man will ihm an den Kragen«, streckte Friedland die Arme über sich am Fenster, als Arnim nach Stralendorfs Abschied wieder eingetreten war. »Sie wollen ihn unter den päpstlichen Hut drücken. Er ist ihnen zu groß, schon jetzt viel, viel zu groß.«
»Fühle sich Herzogliche Gnaden nicht durch mich gebunden oder beengt in ihren Entschlüssen. Arnim kann in Boitzenburg seinen Kohl bauen oder bei den Polen fechten.«
»Es liegt nicht an Euch, Herr Bruder. Hab’ Er vielen Dank. Man will ihm an den Kragen, dem Kaiser. Das ist es.«
Er stieg durchs Zimmer: »Sieh da, sieh da, die Liga lebt noch. Man wird den Herren den Kopf vor die Füße legen müssen.«
In Rom residierte im goldenen Vatikan ein Panther, Maffeo Barberini, der achte Urban. Man konnte nicht sagen, er verstünde seine Zeit nicht. Zur Macht war er gekommen, indem er beim Konklave beiden Parteien schwor, er sei der Todfeind der andern. Über den Eingang seines Theaters schrieb er, er denke nur an die Sicherheit der Kirche. Vierzigtausend Mann konnte er aus dem Rüstzeug des päpstlichen Arsenals bewaffnen. Das Kastell Franco baute er an der Grenze des Bolognesischen, armierte in Rom Sankt Angelo. In Tivoli arbeitete seine Waffenfabrik. Er wollte statt marmorner Denkmäler eiserne. Als jenseits der Alpen der Krieg auf die Höhe stieg, erneuerte er die Nachtmahlsbulle »In coena domini«, verfluchend Ketzer, Hussiten, Wiklifiten, Lutheraner, Zwinglianer, Calvinisten, Hugenotten, Trinitarier, Wiedertäufer und die Meerpiraten. Zerschmettert sollten die deutschen Ketzer werden, die gestohlene Habe ihnen wieder entrissen werden und der Kirche zufallen.
Schon während der militärischen Aktion erklärten seine Gesandten am Wiener Hofe, die Kirche verlange, wo die Macht des Kaisers, des Kirchenvogtes, dazu ausreiche, daß Anstalten getroffen werden, ihr zu ihrem rechtlichen Besitz wieder zu verhelfen. Witzige Gesellen am Hofe lachten: Wallenstein solle marschieren, um dem Papst Magdeburg Halberstadt und die andern deutschen Stifter wieder zu erobern. Es bedurfte nicht des Lamentos der Ligisten, der entrüsteten Hinweise des bigotten Grafen Stralendorf, um einen Sonderlegaten nach Wien zu rufen, als die Glocken den Sieg in den Straßen läuteten. Schon bereiste eine geheime päpstliche Kommission die besetzten Gebiete und das übrige Deutschland, um für Urban die kommenden Einkünfte abzuschätzen; er hatte vor, mit diesem Gelde die Grenzen des
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