Wallenstein (German Edition)
Glück, und er, der Wittelsbacher, muß es hinnehmen. Schande, Schande: er, ein Deutscher, müsse sich mit dem französischen König verbünden. Er sei gezwungen, mit Zähnen und Klauen und brüllender Offenheit den Stier, den Teufel anzufallen. Das Reich, das Heilige Reich, das er liebe, müsse er zerstören, weil es der Habsburger, der tolle, der Schalk, denn wolle. Nun käme es auf nichts an als auf Habsburg und Wittelsbach! Die Masken, die lange festgeklammerten, endlich, endlich herunter! Zertrampelt das Römische Reich. Es gibt nicht mehr Kaiser, es gibt nicht mehr Kurfürsten; in den Abgrund alles.
Das graue Männlein ging neben ihm am Ofen hin und her, streichelte dem schmerzvoll Zerrissenen demütig die Hand, dankte innerlich Gott für seinen Sohn. Möge das Heilige Römische Reich sich selbst anschuldigen, schäumte der leichenblasse, die Tischplatte knetende Kurfürst, wenn es breit gewalkt werde, wenn die Sintflut der Ketzerei anwüchse, wenn die Grenzen durchbrochen würden. Es muß geschehen. Der Hüter des Reichs, der Vogt der heiligen Kirche, der Mehrer des Reichs: Schande, Schande.
Den schieläugigen wartenden Charnacé behandelte er in seiner eigenen Kammer, das Degengehenk zu Boden werfend, sehr heftig. Ein Ende mit dem Gerede von dem mächtigen einigen siegreichen Frankreich. Er sei deutscher Kurfürst, Bayern und die Liga seien stark, er solle nach dem Haag gehen, sich vom Pfälzer darüber ein Lied singen lassen. Was habe Frankreich im Elsaß vor, was wühle es in Straßburg; der Bischof von Straßburg sei Mitglied der Liga; er werde keinen Angriff und Überfall da dulden. Er war erbittert und höhnisch. Man glaube nicht, sich die Not Deutschlands zunutze machen zu können und im trüben zu fischen. Was habe Frankreich in Holland vor und plane mit den Generalstaaten. Nein, nein, Frankreich und der Allerchristlichste König mißverständen ihn, den Bayern, gänzlich; er sei nicht der alberne Knecht, der in der Nacht die Tür zum Haus offenläßt, damit die Räuber einfallen können. Man wage es nicht, ihm so zu kommen. Da sei ihm der böhmische Schelm noch lieber.
Charnacé focht sicher. Er fühlte, der Kurfürst wünschte von ihm über Schwierigkeiten geleitet zu werden. Dunkle Punkte wurden im Dunkeln gelassen, helle beleuchtet. Maximilian wurde gegen den Schluß still.
Man kam so weit, über die Zahl der beiderseits aufzustellenden Söldner zu verhandeln. In dem Vertragsdokument war nach Maximilians Willen nichts zu vermerken von der Neutralität Bayerns und der Liga; das sollte brieflich abseits fixiert werden. Schweigend, ohne besondere Huld, wurde Charnacé abgedankt.
Maximilian fuhr in sechsspänniger Karosse auf den Berg Andechs. Der Heiland trug die bunte Wunderkrone der heiligen Mechthilde. Wallfahrten zogen mit ihm, Prozessionen von Kindern mit farbigen Kreuzen, mit Geißeln, Speeren. Ungeheure, armdicke Kerzen wurden voraufgetragen; an seidenen, grell bemalten Fahnen kleine Glöckchen. Umschlungen von Kranken Gebrestigen der Pfahl mit dem Marienbilde vor der Kirche; sie lagen, von Priestern umgangen, in Krämpfen davor. Mütter hoben ihre Kinder hoch gegen das Bild, tasteten die Schmerzstellen der Kinder ab. Dabei sangen sie. Wie Balken stürzten einige hin, eben den freien Platz erreichend, schnellten übereinander; Kuttenträger beschworen die bösen Geister.
Selig Maximilian: Habsburg, nicht er hat das Römische Reich zerrissen.
Die Macht der heiligen Kirche zu vermehren, war ihm, ihm und seinem Geschlecht zugedacht von den Himmlischen. Es sollte an ihm nicht fehlen.
VON DER grauen windgefegten Meeresplatte bis auf Postenstellungen zurückgezogen, schob sich das Gros der Armee mit wachsender Stärke in das Zentrum Deutschlands und nach Süden. Es legte einen dichten Schleier über die kaiserlichen Erblande, stieg die Grenzberge hinauf.
Als die Fühlungnahme der Fürsten und Stände begann, die Proteste gegen die Anwesenheit und das grenzenlose Wuchern dieses Armeekolosses in allen Gauen schrillten, glomm im Süden plötzlich ein Funke auf, der sich im Augenblick zur Lohe entwickelte.
Ein Reichslehen jenseits der Alpen, Mantua, war durch den Tod seines Inhabers erledigt, die Nachfolge umstritten. Der Großneffe des Verstorbenen, ein junger Herzog von Nevers, glaubte nicht der Belehnung durch den Kaiser und Entscheidung des Rechtsstreites zu bedürfen. Da nahm der Römische Kaiser, Ferdinand der Andere, Mantua und das zugehörige Montferrat in Sequester, und der Oberst
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